Chaos de Luxe: In die Dresche springen
Neulich in Moskau in dem hypercoolen Museum „Garage“. Am Ende einer Ausstellung über Zukunftsvisionen steht ein Glasquader. In dem
Glaskobel liegt zerborstenes Mobiliar. Stolz erzählt die Kuratorin, dass Besucher des Museums regelmäßig die Gelegenheit haben, ein halbes Stündchen mit einem Baseballschläger auf das Inventar einzudreschen. Zwecks emotionaler Entladung. Wieder daheim überlege ich eine solche Zores-Zone als Geschäftsmodell anzudenken. Schließlich ist die Aggressions-Verpeilung der lieben Mitbürger generell Vollmond-plus-Menstruationsbeschwerden-plus-Vorweihnachtsüberreiztheit. Egal, ob am Flughafen, im Supermarkt, in der Liebe oder bei der Schlacht um Parkplätze: Hohes Aufkommen von Eskalationsidiomatik à la „Oida, ham's da ins Hirn g'schissen?“ oder „A Kübel Ohrwascheln is' schnell brockt“ oder „Geh Probeliegen – am Zentralfriedhof!“ Der größte Treibstoff für den Hass ist der Neid, da bin ich mir mittlerweile sicher. Der frisst die gute Laune auf. Vielleicht könnte man mit der Institutionalisierung einer solchen Furor-Suite, inklusive Trümmerlandschaft, einen kleinen Beitrag zu Erlangung jenes Zustands erreichen, der de facto der Maybach unter den Gefühlen ist: Gelassenheit. Wie die Komik-Supermacht Amy Schumer schon so richtig sagte: „Das Allergeilste ist, wenn einem alles, wirklich alles scheißegal ist.“ Aber worüber soll man sich dann nur bitte aufregen? Und wohin mit der ganzen Begabung für Beleidigungen – die dann ungenutzt im Seelenmüll vermodern würde? Laut des Pop-Philosophen Slavoj Žižek sollte man ausschließlich Menschen beleidigen, die man wirklich liebt. Alles andere fiele unter pure Verschwendung. Ich gebe ihm recht. Macht ja auch acht Mal so viel Spaß. Die Großmeisterin auf dem Gebiet der gepflegten Kränkung ist nach wie vor Dorothy Parker. Geliebt ihr Kommentar angesichts einer überschätzten Mimin: „Wenn Sie ins Theater gehen, um XY zu sehen, vergessen Sie bloß Ihr Strickzeug nicht.“
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