Chaos de Luxe: Im Stahlbad der Launen
Ich kriege mentales Sodbrennen, wenn ich sie nur höre, diese putzaufgeweckte Stimme, die egal bei welchem Wetter und welcher Weltlage auf Säusel-Modus gestellt ist. Supermarktkassiererinnen sind doch sonst so angenehm mürrisch, nicht dieses Exemplar im Nachhaltigkeits-Eldorado. Sie lässt auch keinen Einkauf unkommentiert. „Na, da haben Sie aber mit dieser Gurke ein Prachtexemplar gewählt“ oder „Ja, diese Dinkelbrezelchen knabbere ich auch gerne vor dem Fernseher.“ Klar, dass sie mir noch „einen supergemütlichen Abend“ oder „einen wunderschönen Tag“ wünscht, nicht ohne sich ausführlich zu erkundigen, ob man eine Kundenkarte habe, wolle und welche Vorteile sich daraus ableiten ließen: „Nächste Woche kriegen Sie dieses Fairtrade-Vogelfutter um 17 Prozent ermäßigt, wenn sie zwei Packungen nehmen.“ – „Ich habe aber keinen Vogel ...“ – „Schade! Vögele können ja soviel Freude machen“, zwitschert sie los. Strafverschärfend zum Inhalt ist diese schwäbische Färbung. „Warum bist du so gemein?“, fragt jetzt mein sanftes Ich, „diese arme Person macht nur ihren Job.“ – „Ich ertrage diese Superlaune nicht, sie macht mich unfassbar aggressiv“, murrt mein Miststück-Ego zurück. „Dann hol' dir ein Schalerl Grant von einem Wiener Oberkellner ...“ Ich gehorchte meinem sanften Ich. Ich liebe diese Kellner, von denen man oft so lange ignoriert wird, bis man wie ein Ertrinkender um sich schlägt und mit letzter Kraft japst „Verzeihung! Bitte! Ein Melangerl, wenn's nicht zu viel Umständ' macht!“ Die Grant-Elite des Servierpersonals kontert dann auch noch sowas wie: „Ich hab nur zwa Händ' ...“ oder, wie eben, „Vom Hudeln kommen die Kinder.“ Die Gnädigste stellt sich die Frage, ob es zwischen der Zuckersüße der Zwitscherin und der bezahlten Demütigung durch den Wiener Kaffeehaus-Pinguin vielleicht noch Kompromisslösungen gäbe, kommt aber zu dem Schluss, dass solche das Leben viel langweiliger machen würden.
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