Chaos de luxe: Hau’ die Kränkung aus dem Zug!

Von der Kunst, Niederlagen zu nehmen.
Polly Adler

Polly Adler

Das Kind schleppt eine völlig devastierte Freundin in unsere Herberge Kunterbunt. Das Wrack-Wesen hat den Mascara großflächig im Gesicht verteilt, Schluckauf von einem vorangegangenen Schluchz-Marathon und kriegt keinen Satz heraus. Wir setzen beide unsere Blausirenen auf und werfen uns in den totalen Trost-Einsatz: „Glückstee“ wird gebraut, Karamell-Eis aufgetaut, Kissen geschüttelt. „Ist es ein Mann?“, frage ich den Fortpflanz. Sie macht eine wegwerfende Handbewegung: „Geh, bitte! Wegen einem Typen ein solcher Elendsaufwand?!“ Nein, ein Job, ein echter Traumjob, sie hat in der letzten Runde gegen einen Protektions-Nerd verloren. Jetzt schießt Leben in das Wrack: „Gegen so einen Dillo zu verlieren, das ist eine solche Tragödie! Noch dazu in dieser Scheiß-Krise!“ Es ist Zeit, dass ich meine kleine Arbeitsmarkt-Veteraninnen-Rede halte. Ich erzähle von den Jobs, die ich nicht gekriegt habe und auch von denen, die ich besser nicht gekriegt hätte. Von Niederlagen, die zu Stahlbädern für das Ego wurden. Von Bauchlandungen bei echten Herzensprojekten. Und davon, dass die besten Dinge des Lebens dir einfach passieren – ohne Planung, ohne Verbissenheit, manchmal mit so einer poetischen Dramaturgie des Zufalls. So kam zum Beispiel einmal diese Kolumne vor doch schon ein paar Jährchen daher. Ich bekam keine Antwort, sondern nur einen gellenden Entladungsschrei. Danach lächelte die Devastierte und sagte: „Wut tut so gut. Gibt's noch von diesem urvollargen Karamell-Eis?“ Der Fortpflanz tätschelte die Kameradin mit dalai-lamaesker Gelassenheit: „Erhalt sie dir! Hau die Kränkung aus dem Zug! Wut ist der beste Motor dafür, es allen einmal ordentlich zu zeigen!“ Verdammt! Wenn ich mit 26 auch schon so weise gewesen wäre, hätte ich mir viele Wanderungen auf der Avenue Dolorosa erspart. Wahrscheinlich rührt dieser frühe Erkenntnis-Reichtum daher, dass das Kind keine leichte Kindheit gehabt hat.

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