Chaos de Luxe: Hansi, Hilfe, Hansi!

Brief an eine abgereiste Herzensfreundin
Polly Adler

Polly Adler

Es gibt leider keine Schule, wo man auf den Tod von nahen Menschen vorbereitet wird. Unsere Freundin weinte nur ins Telefon: „Das muss ein Irrtum sein.“ So viele sagten: „Aber ich habe sie doch noch gerade gesehen ...“ Das Kind war noch ein Winzling, als du in unserem Leben erschienen bist (du hast Räume nicht betreten, sondern bist erschienen) und trompete: „Die Tante mit der intensiven Locke ist so lustig!“ In meinem Gefrierfach ist noch eine Kiste Nougateis, dein letztes Mitbringsel, natürlich dimensioniert wie für einen Kinderchor, weil Kleingeistigkeit hat dich ausschließlich nervös gemacht. Noch lange werde ich bei Theaterpremieren den Zuschauerraum nach deinen leuchtend roten Haaren durchsuchen. Das Theater war dein Herzensort, seine Bewohner deine Kinder. Die Theaterliebe war so groß, dass sie durchaus auch Strenge entfalten konnte. Die Bewertungsskala bei Mittelmaß: „Hut ab! – Aber wovor?“, ein Protagonist, der sich selbst zu lieb hatte, bekam ein „Na, da haben wir was ganz was Fesches!“, Katastrophen-Note: „Es war Hansi!“, Mega-Katastrophe: „Hansi, Hilfe, Hansi!“ Höchste Anerkennung war ein simples „Geliebt!“ Die Bestwertung für Amüsement jeder Art: „Wir haben geschrien.“ Uns verband auch, dass wir beide voller Hingabe nicht mit Geld umgehen konnten. Leuchtfeuer exzentrischer Unvernunft wie der Erwerb von Gucci-Schlapfen mit Papageien-Aufdruck (die wirklich nur du tragen konntest) wurden mit dem Kommentar „Na freilich, was denn“ begleitet. Du warst unser Paris mitten in Wien. Ein „Rosétscherl“ in deiner Küche zu nippen, während du ein extravagantes Huhn gezaubert hast, gab einem das Gefühl, dass, was immer komme, die Welt doch in Ordnung war. So farbenfroh wie deine Kleider, ist deine Seele. „Der Tod ist eine Zumutung“, sagte Christine Nöstlinger knapp vor ihrer Abreise. Deiner eine einzige Zumutung.  Ahoi!

„Nymphen in Not“: 1., 8. und 15. November im Wiener Rabenhoftheater

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polly.adler@kurier.at

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