Polly Adlers "Chaos de luxe": Die G’schisti-G’schasti-Eltern
Vermeidung-Offensive gegen die Fortpflanz-Frustrationstoleranz
"Alina-Sophie, willst du das Croissant mit Schoko? Oder lieber das Brioche?" – "Gustav, trink bitte dein Kokoswasser...nein, deine Lieblingsflasche ist zu Hause...es tut mir so leid." – "Die rosa Jacke gefällt dir nicht, aber Mami hat keine andere mit. Nur das eine Mal, ok?" – "Nein, wir sind das Wochenende zu Hause, die Rosa Luisa muss ein Wasservögel-Referat machen."
Der Fortpflanz ist ja bereits des aufrechten Ganges mächtig, dem Himmel sei Dank, denn wenn ich neuerdings beim Bobo-Bäcker, im ÖBB-Familienabteil (Abhärtungsprogramm!) oder im Museum ("Schau, der Klee Pauli malt so toll wie du!") die Lauscher aufsperre, beschleicht mich der Verdacht, dass die moderne Pädagogik auf eine große Vermeidungs-Offensive der Frustrationstoleranz abzielt. Eltern verhandeln mit ihren Kindern in einem Vorsichtsgrad, als ob sie Sprengstoff-Entschärfer angesichts von einer gewissen Launenhaftigkeit geprägten Mini-Terroristen ausgesetzt wären.
Das Schulaufgaben-Pensum der Kinder wird zu einem gruppendynamischen Erlebnis für die ganze Familie. Und bei Geburtstagspartys brauchst du einen eigenen Allergen-Sachverständigen, denn mit Würstel und Kuchen ist es längst nicht mehr getan, wenn man die Veganistas nicht unnötig reizen willst. Aber wenn die Produkte dieser Gschisti-Gschasti-Eltern später den rauen Wind der Selbstbehauptung um die Ohren geblasen kriegen, könnten sie leicht umkippen.
Möglicherweise war ich die schlechteste Mutter der westlichen Hemisphäre: Jede Menge Fremdbetreuung wegen Selbstverwirklichungsfirlefanz, ein Kind, das brutal in Eigenständigkeit gezwungen wurde, weil ich keine Lust hatte, die Familie der Lippenblütler herunterzubeten undsoweiter. Aber wie ich als Mutter richtig versagte, hat rückblickend allen gut getan. Behaupte ich jetzt einmal tolldreist.
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