
Polly Adlers Kolumne: Call me!
Kann bitte irgendjemand endlich abheben?!
Ich fühle mich einsam, so einsam wie sonst nur auf der Suche nach einem Kundenbetreuer in einem Elektrogeräte-Markt. Oder in der Warteschleife einer Versicherungshotline. Versicherungsmenschen werden angeblich darauf gedrillt, auf keinen Fall zum Telefon zu gehen. Das brächte ja doch nur Ärger. Aber auch im echten Leben hebt nie jemand ab, wenn man einen hundsordinären Anruf tätigen will.
Viele Menschen haben nicht einmal mehr eine Mailbox-Ansage. Mailboxen abhören scheint in der Schrulligkeits-Charts ziemlich bald nach dem Verlangen nach einem Fax zu kommen.
Ich will einfach wieder nach der Alten-Anrufschulmethode reden. Ich will auf SMS-Anfragen nach meiner Befindlichkeit nicht 17 Mal Satzstummelchen texten, nur weil diese Person offensichtlich nicht mehr das Nervenkostüm für ein analoges Gespräch besitzt. Ich habe die Schnauze auch voll von dieser Voice-Messagitis, wo elendslange Anläufe für minimalen Inhalt getätigt werden.
Ich mache also etwas ganz Perverses. Ich rufe Menschen an und frage sie, wie’s ihnen geht. Ich weiß, das ist fast so abartig wie Kaffee mit Kuhmilch zu trinken. Oder mit den biologisch angedachten "Pronouns" klarzukommen. Oder linear fernzusehen. Manche erschrecken und stellen mir gleich die Frage: "Um Gottes willen! Ist was passiert??"
Dann sage ich manchmal: "Ich liege am Pannenstreifen des Info-Highways und verdurste nach zwischenmenschlicher Kommunikation im Fernwahlverkehr." Wenn ich Glück habe, legen sie nicht gleich auf, sondern reden mit mir in diesem Tonfall, mit dem Polizei-Psychologinnen Menschen beruhigen, die melancholisch gestimmt am Rande von Flachdächern tänzeln. Die, die länger dran bleiben, können meiner ewigen Loyalität versichert sein. Freundschaft!
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