Chaos de Luxe: Erotisch resignative Notgemeinschaft

Schon wieder ein neues Beziehungskonzept.
Polly Adler

Polly Adler

Wenn die „Alte Donau“ sich gegen den Herbst noch einmal aufbäumt, liebe ich sie besonders. Als ich in meinem Boot über die Wellen schaukelte, dachte ich, wie sehr ich die Streitereien mit dem Fortpflanz vermisste. Der Gedankenfluss wurde von einem Polterer unterbrochen. Ich war von einem Schwan in Tretbootform gerammt worden. Der Kapitän entschuldigte sich: „Kein Drama. Ist ja nix passiert.“ Ich beschloss wegen der tiefen Kerbe nicht kleinlich zu sein. Der Unfallgegner war noch dazu ein Paar, das ich über Jahre nicht gesehen hatte. Irgendwie hatte ich mir eingebildet, dass sich die beiden hatten scheiden lassen. „Ach“, sagte ich, „wie schön! Ihr habt euch wieder versöhnt.“ Sie tätschelte ihn auf die Hinterkopf-Hautinsel: „So schlimm ist es nun auch wieder nicht, wir sind noch immer geschieden.“ Er: „Aber wir leben wieder zusammen.“ Sie: „Eigentlich passen wir ja überhaupt nicht zusammen ...“ Er knuffte sie bestätigend in die Seiten: „Rein theoretisch ist es ein totales Desaster ...“ –  „Er ist wie eine Wohnung, in der vieles nicht funktioniert, die mir aber so vertraut ist.“ Er trommelte sich auf die Brust: „Ich bin ihr Bastlerhit. Bis auf Weiteres. Weil man weiß ja nie ...“ Das war mir alles zu kryptisch: „Wie jetzt? Ihr seid zusammen, bis einer vielleicht, wie man so sagt, was Besseres findet?“ Sie schüttelte den Kopf: „Ich bin ja aus der sexuellen Marktwirtschaft ausgestiegen. Zu viele Montagsmodelle mit zu schwerem biografischen Handgepäck unterwegs. Wir sind Freunde. Wenn es ihn liebestechnisch aufhaut, kann er mir alles erzählen.“ Aha, dachte ich mir, eine erotisch resignative, ökonomische Notgemeinschaft, möglicherweise sogar ein neuer Trend für die Covid-Herbst-Winter-Saison. Und erinnerte mich an den Satz, den ich nach meiner nächtlichen Strawanzerei einmal einem empörten Ex zugerufen hatte: „Es ist eben sehr schön, dass jemand da ist, wenn man nicht nach Hause kommt.“ Herr Schwan scheint das genauso zu sehen.

Pollys „Nymphen in Not“ ab 4. Oktober im Rabenhof: Mit Ulrike Beimpold & Petra Morzé

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