Chaos de Luxe: Der Spitzmaulnashörner-Blues
Bist du auch schon so komisch?“, fragte mich eine Freundin, mit der ich lockdowncholisch durch die Praterauen schlenderte. „Und wie! Unlängst ertappte ich mich, dass ich mich wie meine eigene Pflegerin begurrte: ,So, jetzt ziehen wir uns aber was Hübsches an und legen etwas Make-up auf, damit wir nicht mehr ausschauen wie der Dritte Weltkrieg.’ Würde wird dieser Tage zum Konjunktiv.“ Ja, Leute: Sic exit glamour. In Bälde, fügte ich hinzu, werde ich mir einen degenerierten Mops anschaffen, dem ich nur mit Hilfe eines Hundetherapeuten Herrl werde, und mir jeden Nachmittag eine Cremeschnitte in einer Konditorei gönnen. Wir schwiegen, denn es gab beim besten Willen kein Quäntchen Trost angesichts dieser Aussichten. Ich entwickelte ein Überlebenshilfs-Programm, dem ich den Arbeitstitel „Kollaps-Positivity“ verpasste. Ein wichtiger Punkt war das Vermeiden schlimmer Nachrichten, also eine Art Katastrophen-Detox. Ich suchte nur mehr nach den herzergreifendsten Meldungen aus dem Angebot: Die betagte Ballerina, die trotz fortgeschrittenem Alzheimer noch immer beim Hören der Musik die Bewegungen von „Schwanensee“ aus ihrem Rollstuhl nachzeichnen konnte. Das kleine Mädchen, das nach 65 Stunden unter den Erdbeben-Trümmern auf der Bahre ihrem Retter die erdverkrustete Hand entgegen streckte. Die vier Obdachlosen aus Brest, die einen Lottoschein mit einem satten Gewinn fanden. Das südwestafrikanische Spitzmaulnashorn, das nicht mehr vom Aussterben bedroht ist. Tatsächlich ist man in Tränen aufgelöst, als im Fernsehen ein paar fröhliche Baby-Spitzmaulnashörner in der Wüste von Namibia den Fortbestand ihrer Gattung feiern. Spitzmaulnashörner sind meine neuen Baby-Elefanten. „Teuerste, jetzt reicht es mir mit deinen Sentimentalitäten“, pfeife ich mich zur Contenance, ich gehorche mir aber nicht und heule hemmungslos weiter. Wenigstens war ich dabei für das bebaute Gebiet geschminkt und astrein gekleidet. Ja, man wird komisch.
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