Chaos de Luxe: Basilikum für alle

Das beruhigt, denn das Lebensgefühl kippt in Richtung Moll.
Polly Adler

Polly Adler

Wir brauchen Basilikumblätter“, sagen die Pracht-Kinder, die hier in der Anstalt, wie wir unser Vöslauer Bad zärtlich nennen, in einer fröhlichen Bullerbü-Herde herumtoben. „Wollt ihr kochen?“ – „Nein, wir wollen die Blätter lutschen, zur Beruhigung.“ Die Kinder mit ihren offenen Antennen begreifen natürlich, dass das Lebensgefühl, in dem wir gerade Vollbäder nehmen, langsam in Richtung Moll kippt. Herbst-Paranoia kriecht in die Knochen. Schulbeginn. Elternabende mit Heli-Müttern, die im Kampfmodus Ernährungs-Philosophika über gesunde Jausen abhalten. Ego-Ballett beim Projektstorming.  C-Ängste um die Eltern und betagtere Freunde. Kaffeepläusche mit Exekutionsbeamten, die vergessene Strafmandate einzutreiben haben. Sackhüpfen im Tretminenfeld eines übervollen Terminfahrplans. Seiltanzen auf den Deadlines. Und dabei fühlt man sich wie das weiße Kaninchen in „Alice im Wunderland“, das im Hoppelmodus fiepste: „Ich bin zu spät, ich bin zu spät.“ Ich borge mir die Lebensmaxime des wunderbaren Herrn Heltau, der der Überzeugung ist: „Es ist immer jetzt.“
Und wir spielen noch einmal nicht enden wollender Sommer, Kabanen-übergreifend. Mit kalten Platten knapp vor Mitternacht. Viel Veltliner. Pasta-Humpen für alle. Pointen-Geschleuder, bis man in den Seilen hängt. Und dabei noch immer in diesem kostbaren Gefühl des Zeitüberflusses, das Irina, eine von Tschechows „Drei Schwestern“, selbstanklagend so beschreibt: „Um zwölf Uhr mittags aufstehen, im Bett Kaffee trinken und sich dann zwei Stunden lang anziehen – oh, wie ist das schrecklich!“ Da bist du auf dem Holzweg, Teuerste, denn gibt es etwas Herrlicheres? Ich werde in der kalten, von Funktions-Ertüchtigung geprägten Jahreszeit ganze Basilikum-Plantagen anlegen müssen. Die Kinder haben doch fest versprochen, dass es wirkt.

Pollys „Nymphen in Not“ ab 4. Oktober im Wiener Rabenhoftheater.

www.pollyadler.at
polly.adler@kurier.at

 

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