Chaos de Luxe: Adieu, Werner!
Jetzt kommen die Abschiede, die uns immer so unendlich fern schienen“, schrieb mir mein Freund Dieter, als wir unsere Trauer über den verlorenen Freund Werner Schneyder teilten. Er ging in den Tod so konsequent, wie er im Leben war: ein klarer Schnitt, ohne Aufhebens, und, das ist das Schöne in der Katastrophe: mitten im Leben – nach einem bombastischen Fischessen unter Freunden. Aber wer wird jetzt in meinem Leben nach einem vierstündigen Mittagessen aufstehen und ein Operettenliedchen anstimmen, dass die Gläser wackeln? Wer wird Kästner-Gedichte aus der Hüfte rezitieren? Wer wird einem alles über Fritz Wunderlich, seiner Meinung nach der Größte aller Sänger, Dieter Hildebrandt oder Neil Simon erzählen? Wo wird die wunderbare Geschichte vom Gründer der Lach- und Schießgesellschaft Sammy D. landen, der im Endstadium seines Lebens auf dem Krankenbett von seiner Geliebten, damals Deutschlands amtierender First Lady, gefragt wurde, ob sie noch irgendetwas für ihn tun könne. Und der Todkranke antwortete: „Ja, du könntest mir einen blasen.“ Diese Geschichte musste er mir mindestens ein Dutzend Mal erzählen, weil sie so wahnsinnig romantisch und sardonisch hedonistisch war. Bei einer unserer letzten Begegnungen mussten sie uns um halb drei Uhr morgens aus dem Rabenhof kehren. Ich dachte mir damals, wie fantastisch, dass man mit einem 81-jährigen Giganten noch drahen kann bis in die Puppen, während die jugendlichen Selbstoptimierer schon alle am Matratzerl horchten. Irgendwann sagte der wunderbare Herr Schneyder, der Bonmots mit der Eleganz der Unbemühtheit unter die Groupies seines Geistes brachte, rund um den 75er: „Als mein Vater so alt war, wie ich jetzt bin, ist er als sein eigenes Haustier durch die Wohnung geschlichen. Da lobe ich mir eine neue Zeit, in der man tief zufrieden durchatmet, wenn einem noch jemand misstraut.“ Hoffentlich klappert die Anna Berzkowitsch, seine geliebte Großmutter, die ihren Enkel zu einem „Meisteresser“ ausgebildet hatte, da oben schon mit den Töpfen.
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