Begeisterung begeistert
Immer wenn die Weltnachrichtenlage versucht, mein Gemüt zu trüben, klicke ich auf den Youtube-Kanal von Rick Beato. Er ist ein New Yorker Produzent und analysiert bekannte Musikwerke. Bach, Beatles, Billy Eilish. Nichts ist seinen Ohren fremd. Bemerkenswert dabei ist seine Haltung. Bei dem Video „Adele did it again!“ lauscht er einem ihrer Hits und freut sich über die Komposition wie ein Fünfjähriger. Rick Beato wurde letztes Jahr 60. Im Buddhismus gibt es die Theorie, dass der Mensch in ein Lebensalter hinein geboren wird und dieses dann nie ganz verlässt. Ich kann dem was abgewinnen. Mein achtjähriger Sohn hat einen Schulfreund, der bereits Floskeln verwendet wie „Früher war alles besser“ und „Damals als Baby hatten wir nichts“. Der Schulfreund wirkt auf mich wie ein mit Milchzähnen bestückter Kriegsveteran. Ich befürchte, er wird bald meinem Sohn zeigen, wie man ein Frühpensionsantragsformular ausmalt. Doch eine geglückte Kindheit besteht aus möglichst vielen Pfau-Momenten. „Pfau, ein Regenbogen!“, „Pfau, eine Ameisenstraße!“, „Pfau, ein Starkstromkabel!“. Manche Eltern erziehen das staunende Ich. „Mach den Mund zu, sonst fliegt ein Vogel rein“. Ich schloss meinen Mund dann wirklich. Vermutlich, weil auch nie ein Brathendl dabei war. Doch ich bin mir mittlerweile sicher, wer staunt, hat mehr vom Leben. Es sollte einen Wifi-Kurs für betreutes Staunen geben. Mit dem Titel: Lebe jeden Tag wie deinen ersten. Da wird alles wieder aufregend. Die erste Parkplatzsuche, die erste Wurzelbehandlung, der erste Brief vom Finanzamt. Es gibt, neben der Stromrechnung, so viele gute Gründe zum Staunen. Zum Beispiel, dass der längste Ortsname Europas 58 Buchstaben enthält: Llanfairpwllgwyngyllgogerychwyrndrobwllllantysiliogogogoch.
Da ist man dann gleich erstaunlich dankbar, wenn man in Au wohnt.
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