Lektion 6: Vom Hürdenlauf der korrekten Outfitwahl
In England darf man sich modisch keinen Lapsus erlauben. Das wird in dem Land nicht nur den Kindern, sondern auch mir in der Schule beigebracht. Als Lehrerin gab es die Option zwischen Kleid, Bluse mit Stoffhose oder mit Rock. Dazu ein Blazer – den man eigentlich immer aber jedenfalls tragen musste, wenn man das Klassenzimmer verließ. Versehentliches Vergessen blieb nie ungeahndet. „Miss!“, kam es ausgerechnet von dem Mädchen, das ich in der Früh wegen schlampiger Uniform getadelt hatte. „Sollten Sie nicht einen Blazer tragen?“
Der Versuch, sich einzugliedern
Die nächste Erkenntnis kam beim Begräbnis von Prinz Philipp. Als ich für die Reportage die bequemen Jeans anziehen wollte, runzelte der britische Freund die Stirn. „Das ziehst du an?“ Aber ich würde doch nur in der Stadt unterwegs sein, nicht beim Begräbnis. Er schüttelte den Kopf.
Irritiert schlüpfte ich also in die schwarze Stoffhose, die für den milden Apriltag zu heiß und für den langen Arbeitstag zu eng war. Doch in Windsor schlug der Unmut in Dankbarkeit über. Alle britischen Journalisten waren von Kopf bis Fuß schwarz gekleidet. Nur ein paar ausländische Reporter stachen mit bunter Kleidung heraus. Was für ein Anfängerfehler!
Doch nichts gelernt
Und dann kam das Interview mit der Herzogin.
Diesmal würde kein Fauxpas passieren. Sorgsam wählte ich ein Kleid aus und änderte die Meinung auch nicht, als der Interviewtag kalt und regnerisch auftrat. Eisig fuhr der Wind beim Aussteigen unter den Rock; die Ballerinas versanken im Matsch. Naja, aber es gab ja keine Alternative.
Die Herzogin verspätete sich dann leicht. „Entschuldigung“, rief sie, als sie aus dem Haupthaus trat. Die Wangen gerötet, der Händedruck fest. „Ich musste am Dach nach dem Rechten schauen.“ Sie trug: Jeans und klobige Schuhe, wie es sich – weiß ich seitdem – auf einem Landsitz untertags durchaus gehört.
Kommentare