Achtung, Überfall!

Achtung, Überfall!
"Angeleinte Hunde sind das größte Problem überhaupt!", ruft die Dame. Mir wären ja vorher Klimawandel, Laktoseintoleranz und Donald Trump eingefallen.
Birgit Braunrath

Birgit Braunrath

Selbst auf die Gefahr, mich unbeliebt zu machen, oute ich mich heute: Ich mag es nicht, wenn ich mit Daria an der Leine gehe und unangeleinte Hunde auf sie zustürmen. Denn wenn einer der Hunde sich frei bewegen kann, der andere aber nicht, führt das häufig zu Spannungen, die leicht vermeidbar wären.

Viele Hundehalter sehen das anders, ich weiß. Neulich bellte mich eine Menschendame an, deren freilaufender Hund sich weigerte, auf sie zu hören. „Angeleinte Hunde sind das größte Problem überhaupt!“, rief sie. Mir wären ja vorher noch Klimawandel, Laktoseintoleranz und Donald Trump eingefallen, aber ich vermied es, mit ihr zu streiten, während ihr Rüde ständig versuchte, auf Daria aufzureiten.

Diesen Mittwoch wurde es noch viel grimmiger: Daria und ich – mit Schleppleine verbunden – am Berg, weit und breit niemand, wir beide tiefenentspannt. Plötzlich rennen gleichzeitig 13 oder 14 Hunde auf Daria zu, beschnuppern sie im Rudel von hinten und vorn, fordern sie gleichzeitig zum Spiel, zum Kampf und zum Rückzug auf. Ich suche die versteckte Kamera, entdecke stattdessen in einiger Entfernung die dazugehörigen Menschen, die mit einer Hundetrainerin um einen Picknicktisch sitzen.

Während ich erfolglos nach Worten ringe, kommt die Hundetrainerin zu mir rüber, stellt mir alle Hunde mit Namen, Alter und Macken vor, schaut dem absurden Treiben zu und attestiert Daria „ein tolles Sozialverhalten!“. Ich will erwidern: „Das ist reine Notwehr“, es gelingt mir aber nicht, weil ich sprachlos bin.

Meine Empörung hält einen Tag lang. Dann führt mir das Leben mit seinem Hang zu Originell-Drehbüchern die eigene Unvollkommenheit vor Augen: Daria und ich, wieder mit langer Leine, weit und breit niemand. Ich sammle Blätter für meine Kinderbastelgruppe, habe beide Arme voll mit Zweigen und Herbstlaub, die Leine locker irgendwo zwischen Zähnen und Achsel eingeklemmt. Da kommt uns eine Dame mit einem winzigen Hund an der Leine entgegen. Daria stürmt auf ihn zu, ich krieg’ die Leine nicht zu fassen, sie legt den Oberkörper ab, um den Burschen zum Spiel aufzufordern, doch der zittert vor Schreck. Ich will mich bei der Dame für den Überfall entschuldigen. Aber die sagt fröhlich: „Ist das die Daria aus der Zeitung?“ Ich weiß nicht, ob ich mich freuen oder genieren soll – und entscheide mich für beides.

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