Wie schön musst du denn wirklich sein?
Gleich der erste Film der aktuellen, diesjährigen Video- und Filmtage (bis 14. Oktober 2019), brachte ein sehr viele Jugendliche betreffendes Thema zur Bildsprache. Und das obendrein mit Humor – und einem anderen Blickwinkel. In „Level Up“ ist es ein Junge, Kevin, der fast ständig an seinem Style herumfummelt – zu sehen auf seinem Handy-Display. Einem, das mit Stiften auf Papier und Karton gezeichnet wurde. Das Handy spielt die zentrale Rolle in dem knapp mehr als sechs-minütigen Animationsfilm von zehn Jugendlichen, allesamt Mädchen aus dem Medienzweig des Gymnasiums am Wiener Henriettenplatz: Nesrin Basuny, Açelya Gerçek, Ala Ghali, Angelika Hajduk, Lucy Hochgstöttner, Tatjana Jovičić, Milena Matejić, Umal Nisa, Elif Pelivan, Jasmin El-Tabei (15 bis 17 Jahre).
Andere Bahnen
„Wir hatten ein 3-Tages-Projekt in der Schule, um einen Zeichentrickfilm zu machen“, beginnen jene acht der Mädchen, die bei der Eröffnung der diesjährigen, mittlerweile 23. Video- und Filmtage ins Cinemagic in der Urania gekommen waren. Gemeinsam besprachen sie zuerst in der Großgruppe das Thema. Schönheitsideale waren ziemlich gleich klar. „Dann haben wir Stichwörter gesammelt – alles, was uns dazu eingefallen ist“, erzählen sie dem Kinder-KURIER. Aus diesen entwickelten sich einzelne Szenen, die in Kleingruppen ausgearbeitet und gezeichnet worden sind. Dass die Hauptperson, die unter Druck steht, dauern am eigenen Aussehen was zu machen, ein Bursch sein sollte – „das wollten wir alle von Anfang an, weil wir was in anderen Bahnen zeigen wollten“. Genauso einige waren sich alle, „dass wir nicht am Computer zeichnen, sondern mit Material zum Angreifen“.
Blicke in verborgene Welten
Blickwinkel öffnen, verborgene Wirklichkeiten zeigen – das spielte auch in anderen Filmen – unterschiedlicher Art gleich am Eröffnungsabend eine große Rolle. In „Meine Welt, deine Welt“ portraitiert Zoe Borzi – gemeinsam mit Jonathan Steininger und Nikolaus Heckel (19 Jahre) – eine Bäuerin, einen Mönch, einen politischen Aktivisten und eine Drag-Queen. Es ist dem kleinen Team gelungen, zu allen vier Protagoinist_innen ein inniges Vertrauensverhältnis aufzubauen und so kann das Publikum in die eine oder andere für sie fremde Welt eintauchen.
Eingeschränkte Freiheit
Gleiches gilt auch – unter noch viel schwierigeren Ausgangsbedingungen für „Eingeschränkte Freiheit“ mit dem der erste Abend beendet wurde. In einer halbstündigen Doku ist es dem „Team Hawara“ (Mohammad Benyamin Yaqubi, Sabur Azizi, Sajad Maliki, 22 Jahre) gelungen, quere afghanische Geflüchtete in Österreich zu begleiten. „Es war sehr schwierig, ProtagonistInnen zu finden“, sagen die drei im an die Projektion anschließenden Filmgespräch. „Viele wollten gar nichts vor der Kamera sagen“, einige dann doch, wenn sie anonymisiert wurden. Und so ist ein verbindender Typ, der auch von vorne zu sehen ist, Sabur Azizi, einer aus dem dreiköpfigen Team heterosexueller Männer. Er begibt sich sozusagen auf die Suche nach der Szene, die im Verborgenen existiert, weil ihre Mitglieder sowohl unter Vorurteilen – nicht zuletzt aus der eigenen ethnischen Community – als auch unter Rassismus leiden. In ihre Doku bettete das Trio auch einerseits ausführliche Interviews mit unterstützenden Personen als auch bewegte Bilder politischer Aktionen – von Regenbogen-Demos bis zu einer Performance ein. In letzterer posieren Menschen in „schwulen“ Posen vor einer Jury des Bundesasylamtes, die genug oder zu viel schwul anzeigt. Dies nimmt Bezug auf Asyl-Ablehnungen, die tatsächlich so „begründet“ waren.
Zäune - Fences - Kerítések
In einem superkurzen, punktgenauen Film (nicht ganz zwei Minuten) theamtisiert der 16-jährige Filmemacher András Bogár-Szabó , der extra aus einer ungarischen Kleinstadt angereist ist, Zäune. Er fotografierte und filmte für „Fence“ (englisch für Zaun) viele solcher Umgrenzungen. Ausgangspunkt waren Diskussionen in seiner Familie über Grenzzäune. „Und das wollte ich filmisch umsetzen und die Frage stellen, ob Zäune, die uns schützen sollen nicht auch einsperren.“
Braunes Pulver
Während Szabó meinte, eigentlich wäre er sonst gar nicht so politisch interessiert und nur verschiedene Meinungen zu Zäunen zeigen zu wollen, setzte Leonie Wimmer (17) ein sehr bewusstes politisches Statement mit „201933“. Dazu montierte sie Aussagen von heimischen rechten (Ex-)Politikern im O-Ton und kontrastierte sie Tanz-Choreografien, in deren Verlauf immer mehr braunes Pulver von oben auf sie rieselt.
Familiendrama
Martha Schnuderl – mit Timo Neubauer und Lena Mannert (19 Jahre) – lieferten für das Festival des jungen und jüngsten Films (von 6 bis 22 Jahren sind die heurigen Filmemacher_innen) ein ziemlich dichtes Familiendrama mit „Zwischen Zeilen“. Regisseurin und Drehbuchautorin Schnuderl aus Graz ging es diesmal vor allem um Schauspiel(führung“, wie sie sagte. Alle drei, sind e-gecastete Darsteller_innen, die vor allem über ihre Mimik die argen Gefühle zum Ausdruck bringen.
Wildnis
Die zweite Animation des ersten Abends, "Wildnis", war – im Gegensatz zur eingangs geschilderten ersten – komplett am Computer generiert. Krysia Mendoza zeichnete am Grafik-Tablet, ihren digitalen Zeichenstil nennt sie „semi-realistic“. Alena Wacenovsky hatte das Drehbuch verfasst. Die beiden und Margarita Torossian, die für Schnitt und Ton zuständig war, hatten sich gemeinsam die Geschichte zweier Freundinnen ausgedacht, die sich ein wenig entfremdet haben. Sie wollen sich über eine gemeinsame Reise in Schweden wieder näherkommen, aber… „Es war unser Abschlussprojekt im Medienzweig in der Schule am Henriettenplatz. Diese Arbeitsteilung haben wir auch schon früher bei anderen Projekten gehabt“, sagen sie dem KiKu.
Versuchte Horrorkomödie
Was Xaver Quintus (17 Jahre) mit „Aufgewacht“ als Horrorfilm gedacht hatte, habe sich dann vor allem beim Schnitt zu dem Versuch einer Horrorkomödie gewandelt, gesteht der junge Filmemacher im Filmgespräch – mit Jury und Publikum.
Diese – stets wertschätzenden – Filmgespräche sind ein wesentlicher Bestandteil des Festivals. Das Feedback, das ehrliches Lob und ebensolche Kritik beinhaltet, habe sie immer wieder auch weitergebracht, berichten (ehemalige) Teilnehmer_innen der Video- und Filmtage.
https://www.videoundfilmtage.at/2019/
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