Wie aus Angst und Langeweile „frau*lenzen“ wird
Ein Kind allein zu Hause. Johanna, echt überzeugend gespielt von Ida Golda, pendelt zunächst zwischen Angst und Langeweile. Die in der Vor-Handyzeit in einem märchenhaften Ambiente angesiedelte Geschichte beschränkt die 8-Jährige auf Spielzeug und Alltagsgegenstände in der Wohnung. Und Anrufe der Mutter, dass es (wieder einmal) später wird…Aus beiden – Angst und Fadesse – gelingt Johanna die Flucht, indem sie in Fantasiegeschichten kippt. So wird ihre Puppe lebendig – gleich gekleidet und in hölzernen Holland-Schuhen - wie diese beginnt Jeanne-Marie Bertram in der Art einer Spieluhrfigur und wird dann zur lebendigen Freundin. Bzw. beide werden zu den Königinnen C und D wie sie in „Wenn ich groß bin, will ich frau*lenzen“.
Verwandlungen
Frau*lenzen – sofort poppen drei Gedanken auf: Wortspiele mit Anklänge an „faulenzen“ auf der einen Seite und Gender, durchbrechen von Rollen-Schubladen auf der anderen Seite. Die sogenannte „Langeweile“, die Kindern zunehmend verleidet wird, mit der sie auch immer weniger anfangen können, wird – nicht nur hier in diesem Stück (und Bilderbuch) zur Quelle für Fantasie. So gebiert das Mädchen Königinnen und Frösche in ihrem Kopf – natürlich tauchen sie auf der Bühne auf – indem sie selbst und ihre „Puppe“ sich mit herumliegenden und -stehenden Dingen in solche verwandeln.
Szenen und Elemente aus verschiedensten Märchen werden gemixt und Wörter neu erfunden. „Süßmichkeiten einraufen, … gemeinsam stücken sie die früh auseinander, lesen eine zeitsprung mit bleilage und genießen die honigliche becherei. manchmal gehen sie schnuft luppern oder stabieren ein buch. … wer fraulenzt, sitzt zum schreispiel bei den sieben zwerginnen hinter den sieben berginnen und schneidet dornsößchen die haare schnapp. …“
"Nebenbei"
Obwohl die Elemente aus bekannten Märchen stammen, die ja ziemlich einzementierte Rollen-Schubladen haben, schlagen diese hier kaum durch – und das ganz locker und gar nicht krampfhaft, wie manch umgeschriebene Märchen. Das Spiel der beiden Darstellerinnen – unterstützt von einer unsichtbaren Helferin im Hintergrund der Kästen, die alten Märchenbüchern entnommen scheinen, (Caroline Wiltschek) – lädt ein, selber das eine oder andere Mal vielleicht eigene Wort- und Gedankenspiele frei laufen zu lassen…
Schon einmal
Vor fast 20 Jahren hatte Lilly Axster zunächst das Stück (damals trug der Titel und das Wort noch keinen Gender-Stern), Corinne Eckenstein hatte damals Regie geführt. In der jetzigen, neuen Version zeichnet sie, die nun den Dschungel Wien künstlerisch leitet, für die Choreografie verantwortlich. Axster hatte die Geschichte später mit Illustrationen von Christine Aebi als Bilderbuch veröffentlicht. Es wurde 2003 und im Folgejahr zuerst mit dem Kinder- und Jugendbuchpreis der Stadt Wien, dann mit dem österreichischen Kinder- und Jugendbuchpreis ausgezeichnet.
Axster und Eckenstein hatten schon mehr als ein Jahrzehnt davor das Theater Foxfire gegründet, das stark auf Tanz einerseits und Brechen traditioneller Rollenbilder andererseits fokussierte.
Wenn ich groß bin, will ich frau*lenzen
Schauspiel
ab 6 J., eine Stunde
Autorin: Lilly Axster
Regie: Verena Koch
Choreografie: Corinne Eckenstein
Darstellerinnen:
Johanna: Ida Golda
Johannas lebendig gewordene Puppe: Jeanne-Marie Bertram
Bühne, Kostüm: Bianca Fladerer
Bühnenbau: Vincent Hendus
Sounddesign: Björn Büchner
Regieassistenz: Kyra Lisa Peters
Ausstattungsassistenz/Frau im Hintergrund: Caroline Wiltschek
Aufführungsrechte: Verlag der Autoren, Frankfurt am Main
Im gleichnamigen Buch von Lilly Axster/Christine Aebi wird es FRAUlenzen geschrieben und das Wort selbst geht zurück auf den Text „Über das Fraulenzen“ von Luise F. Pusch in „Alle Menschen werden Schwestern“, Suhrkamp, Frankfurt/Main 1990.
Wann & wo?
Bis 15. Jänner und 5. bis 8. März 2020
Dschungel Wien: 1070, MuseumsQuartier
Telefon: (01) 522 07 20-20
Dschungel wien
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