Wer sind die wirklich Ver-rückten?
Zum 25. Geburtstag schenkt das integrative Wiener Vorstadttheater dem Publikum – und in gewisser Weise auch sich selbst – einen Klassiker. „Einer flog über das Kuckucksnest“ spielt in einer geschlossenen psychiatrischen Anstalt.
Diese kann aber auch für alle geschlossenen Systeme, auch ganze Staaten stehen und wurde vom Erscheinen des Romans weg (Ken Kesey, 1962) sowie der Dramatisierung in einem Stück von Dale Wassermann (1963) und mit der Verfilmung (Miloš Forman, 1975) immer wieder auch so gelesen und gesehen.
Unterdrückung der einen, die sich mehr oder minder anpassen, fast freiwillig unterordnen, um ja nicht anzuecken. Bis hin zur Teilnahmslosigkeit, die fast schon kein Leben, sondern nur mehr Vegetieren ist. Unterschiedliche Formen der Unterdrückung – in dem Fall durch Pfleger_innen. Und auf- und widerständlerische Elemente. Letzteres ist vor allem in der Person des Neuankömmlings, Randle P.McMurphy, verkörpert. Er hat sich hier eigentlich nur einliefern lassen, um einer weiteren langjährigen Haftstrafe zu entgehen. Und landet erst recht wieder in einer Art Knast. Stellt aber die Regeln und vor allem Verbote in Frage und will seine Mit-Insaßen animieren, sich gemeinsam zu wehren.
Die Theatergruppe
Trotz immer wieder auch wechselnden Besetzungen hat das „Wiener Vorstadttheater – integratives theater österreichs“ auch ein gleichbleibendes Kernteam – aus unterschiedlichsten ethnischen und sozialen Herkünften. So manche davon gehören an den Rand gedrängten oder ausgegrenzten Gruppen an. Insofern ist die Auswahl des Stücks auch eine programmatische Ansage.
Zum ersten Mal seit Langem spielt auch Regisseur und Theatergründer Manfred Michalke mit – und er suchte sich gleich die Rolle des Widerständlers.
Tapfer schlägt sich Şenol Bektaş als Häuptling Bromden, der bis knapp vor Schluss des mehr als eineinhalbstündigen Stücks (eine Pause), nichts sagen darf und wie abwesend spielen muss. Furchtbar böse, diktatorisch und schikanös gibt Tina Enöckl – zumindest beim probenbesuch des Kinder-KURIER in der VHS-Ottakring, wo die Gruppe seit Monaten arbeiten durfte, die Oberschwester Ratched.
Alle anderen ergeben gemeinsam ein gut ineinandergreifendes Ensemble, das trotz der Brisanz des Stücks und Themas – wie auch Roman, Originalstück und Film – immer wieder Raum für humorvolle Momente und Lacher gibt. Der Vorteil, wenn die Handlung in einem sogenannten Narrenhaus spielt. Im Gegensatz zu jenen schier Verrückten (die übrigens in US-amerikanischer Umgangssprache oft Cuckoo genannt werden), die in der „normalen“ Welt an Schalthebeln der Macht sitzen.
Einer flog über das Kuckucksnest
von Dale Wassermann
Wiener Vorstadttheater – integratives theater österreichs
Bearbeitung: Margaretha Neufeld
Mitwirkende
Die Patienten:
Häuptling Bromden: Şenol Bektaş
Dale Harding: Recep Bektaş
Billy Bibbit: Agrin Bektaş
Scanlon: Siradjo Diallo
Cheswick: Fıraz Khalaf
Ruckly: Sayed Anini
Randle P.McMurphy: Manfred Michalke
Das Personal:
Schwester Ratched: Tina Enöckl
Dr. Spivey: Esra K.
Schwester Flinn: Vanessa Wernig
Pflegerin Warren: Sirma Kapan
Pfleger Williams: Fabian Maas
Gast:
Candy Starr: Mirjam Maschl
Regie: Manfred Michalke
Dramaturgie & Ton: Margaretha Neufeld
Licht: Ihsan Azadi Yilmaz
Regieassistenz: Vanessa Wernig
Wann & wo?
19. Okt. 2019 um 19:30 Uhr
Sargfabrik: 1140, Goldschlagstraße 169
30. Oktober 2019, 19.30 Uhr
Haus der Begegnung Per-Albin-Hanson-Siedlung Ost
1110, Ada-Christen-Gasse 2
23. November 2019, 19.30 Uhr
VHS Liesing: 1230, Liesinger Platz 3
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