Wenn arm und reich auf der Bühne aufeinandertreffen (2)
Zweimal Arm und Reich und der Versuch, die jeweils andere Seite kennen zu lernen zum Auftakt der diesjährigen Saison des Theaters der Jugend. Eine Woche nach der Premiere von „Prinz und Bettelknabe“ nach Mark Twain (ab 6 Jahren) im großen Haus, dem Renaissancetheater in Wien-Neubau, startete auch die kleinere Spielstätte (Theater im Zentrum) mit einem Jugendstück zu diesem Thema, das immer wieder eher verschämt verschwiegen wird: „Alles Gute“ von Lutz Hübner in der Regie von Werner Sobotka.
Rollentausch einerseits, Aufeinanderprallen andererseits
Schlüpfen im ersten Stück die beiden Gegenspieler – vorübergehend – in die Rolle des jeweils anderen, so treffen hier zwei Mädchen aufeinander. Alina ist die Tochter einer Alleinerzieherin, die schuftet, kämpft und sich abrackert. Dennoch muss sich die 14-Jährige immer wieder neue Ausreden einfallen lassen, weshalb sie bei Schulausflügen, die Geld kosten, nicht dabei sein kann. Keine Kohle. Ausgeschlossen, ausgegrenzt. Sozusagen Loserin.
Lügen
Da tanzt eine Neue in der Schule an, Nadine. Die strotzt nur so vor Markenklamotten, Glitzer und neuestem Smartphone. Und ach, wie sie das Busfahren ankotzt, nur weil Papas Auto in der Werkstatt ist. Bei der Busstation kommen beide ins Gespräch. Alina will in Nichts nachstehen, redet der Neuen nach dem Mund und erfindet – diesmal keine Ausreden, sondern noch größeren Reichtum als ihn Nadine hat.
Schon im ersten Teil zeichnet sich – mit zweimaligem Hinweis auf die nicht funktionierenden Kreditkarten – und auch atmosphärisch an, dass der reiche Vater möglicherweise seinen fürstlich bezahlen Managerposten nicht mehr hat. Zum Showdown kommt’s aber erst in einem rasanten zweiten Teil.
Überzeugende Darsteller_innen
Vor allem die Alina-Darstellerin, Claudia Waldherr ist auf der Bühne eine Wucht. Sie überzeugt durch ihre völlig natürliche Sprache und ihr Agieren, sogar in den Lügen, weil in denen jeweils ein Schuss Erschrecken über die eigenen Worte, die da aus ihrem Mund kommen, mitschwingt. Shirina Granmayeh gibt eine ebenfalls überzeugende tussi-artige in Gold gebettete Gegenspielerin.
Grandios ist vor allem aber auch Lukas Spitzenberg als Sonderschüler Benny, der sich immer wieder als viel schlauer herausstellt, als ihn die anderen einschätzen. Gut, er neeeervt. Aber stets meint er es nur lieb. Auch wenn er Alina immer wieder das eine oder andere dadurch vermasselt.
Für die vielen Lacher und Begeisterung sorgen aber nicht nur diese drei, sondern auch die Darsteller_innen aller anderen Rollen (siehe Infobox).
(Zu) happy End
Beide Geschichten enden auch märchenhaft, nämlich happy für – im ersten fast und im zweiten alle. Das ist vielleicht die Schwäche, als würden Gegensätze von Arm und Reich so spielerisch verschwinden. Aber immerhin werden sie aufgezeigt. Und zwar jene, vor allem in „Alles Gute“ hier und heute, nicht irgendwo an weit entfernten Orten der Welt. Auch wenn manch wichtige Menschen hierzulande meinen, man möge Menschen gar nicht mit der Darstellung armer Kinder belästigen.
Alles Gute
von Lutz Hübner
Ab 11 J., fast zwei Stunden
Alina: Claudia Waldherr
Nadine: Shirina Granmayeh
Tobias: Sebastian von Malfèr
Benny: Lukas Spitzenberg
Susanne, Alinas Mutter / Clown: Karoline-Anni Reingraber
Nicole, Nadines Mutter: Elisa Seydel
Manuel, Nadines Vater / Polizist: Lars Wellings
Regie: Werner Sobotka
Dramaturgie: Sebastian von Lagiewski
Bühne: Andreas Lungenschmid
Kostüme: Elisabeth Gressel
Licht: Fritz Gmoser
Assistenz und Inspizient: Simone Tomas
Hospitanz: Alma Stastny
Aufführungsrechte: HARTMANN & STAUFFACHER GmbH Verlag für Bühne, Film, Funk und Fernsehen, Köln
Wann und wo?
Bis 14. Dezember 2019
Theater im Zentrum, 1010 Wien, Liliengasse 3
Telefon: (01) 521 10-0
www.tdj.at
Kommentare