Vordergründiges Lachen, untergründige Empathie-Losigkeit

Auszuckend die eine - Isabella Jeschke -, schaut her, ich bin auch noch da - die andere, Kirstin Schwab vor der Band
„Heile mich“ vom Aktionstheater Ensemble derzeit im (Kabel-)Werk X (Wien-Meidling).

Knapp 5/4 Stunden ein Abend zum Lachen, das fast ständig im Hals stecken bleibt. Leichtfüßig – im wahrsten Sinn des Wortes, weil auch viel getanzt und gesprungen wird – und satirisch bis sogar mehr sarkastisch präsentieren die drei Darstellerinnen ihre Rollen. Vielmehr, sie sind es. Ergänzt, unterstützt durch eine stark, hart und pointiert agierende Band.

Und gleichzeitig entblößt das Schauspieltrio eine zweite Seite – nicht nur der Figuren. Deren aber auch den Unter-/Hintergrund vieler aktueller gesellschaftspolitischer Entwicklungen: Nahezu totale Gefühllosigkeit, schier absolute Empathie-Befreitheit. Und doch lassen die drei erkennen, dass sie sich genau nach dem Gegenteil sehnen – echtes Wahrgenommen werden, Zuwendung, wirkliche Gefühle. Klingt vielleicht ein wenig kryptisch. Ist aber meiner Meinung nach der Kern des neuen, möglicherweise bissigsten Stücks vom Aktionstheater Ensemble: „Heile mich“.

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Ach Gott, der Kater: Susanne Brandt

Egomanin

Da stürmt und rockt Isabella (Jeschke) fast wahnwitzig die Bühne in einer Art Gothic-Style. Sie, sie, und noch einmal sie ist es um die sich alles dreht. Dabei geht sie fast auf in ihrer neuen Verliebtheit, hält jeder und jedem – nicht nur auf der Bühne, sondern auch im Publikum, durch dessen Reihen sie später sprintet, ihr Smartphone mit dem Konterfei des neuen Lovers unter die Augen.

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Szenenfoto

Glückskekse

Knapp davor, als sie noch ganz down war, hat Susanne (Brandt) sie bei sich in ihrer Wohnung aufgenommen. Und als sie einmal mehrere Tage weg war, lässt Isabella den Kater Ferdi verhungern und verdursten – ausgetrocknet. Die eine entschuldigt sich zaghaft und du spürst ganz und gar nicht ehrlich. Die andere beklagt den Verlust und dennoch verströmt sie das Gefühl, so wirklich berührt es sie doch nicht wirklich. Oder doch? Aus der Tasche und noch von hinten geholt, reißt sie minutenlang rastlos eine Verpackung nach der anderen auf, in der sich Glückskekse befinden, zieht die Zettelchen raus, scheint drüber zu lesen, wirft sie weg.

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Wer will mich?

Die dritte im Bunde ist Kirstin Schwab – wie in fast allen Stücken dieser mittlerweile gehypten, mehrfach ausgezeichneten gemeinsam und tiefschürfenden Gruppe tragen die Darsteller_innen auch ihre echten Vornamen als Bühnenfiguren. Was damit zusammenhängt, das das jeweils zusammengestellte Ensemble mit dem Regisseur und Vater der Gruppe gemeinsam das Stück und dessen Texte entwickeln und dabei viele persönlichen Momente einbringen.Kirstin scheint noch am ehesten echt zu leiden – darunter, dass sie von den beiden anderen nicht nur nicht wirklich gemocht, sondern nicht einmal richtig wahrgenommen wird. Selbst, dass sie sich komplett entblößt, bringt keine Abhilfe. Gegen Ende werden auch alle fast sprachlos. Und das drückt sie in einer anderen Sprache aus. Die Textzeilen des letzten Songs der Band Dun Field Three (Andreas Dauböck, Klaus Hämmerle, Michael Lind, Ernst Tiefenthaler, Emanuel Preuschl), zeigt sie in Gebärdensprache.

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Lautloses Klatschen

Kein happy End. Wäre auch nicht angebracht. Würde das Stück zerstören. Löst aber Denk- und emotionale Prozesse aus. Oder kann es zumindest tun. Wie oft, wenn Lachen im Hals stecken bleibt. Hier ist es aber noch mehr. Hoppla, gieren wir nicht (fast) alle nach Anerkennung, die aber gar nicht wirklich echt ist – Likes oder Herzchen auf den diversen Plattformen. Wie lautloser Applaus – nicht in der Gebärdensprache, sondern jener der links und rechts an den Wänden des Theaterraums als Dauervideo eingeblendeter klatschender Hände.

Würden wir nicht vielleicht weniger solcher Likes und Herzen und dafür echte Gefühle brauchen oder auch vergeben können?

Aber wehe, wenn eine Schule gemeinsam mit einer Theatergruppe ein Projekt entwickelt, bei dem Schülerinnen und Schüler – vielleicht auch Lehrpersonen – Empathie lernen können, indem sie in die Rolle anderer, in dem Fall von Flüchtlingen, schlüpfen. Dann dreht das Ministerium es ab – ohne mit Schule oder Theatergruppe gesprochen zu haben.

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Vordergründiges Lachen, untergründige Empathie-Losigkeit

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„Heile mich“
von Martin Gruber und aktionstheater ensemble
Kooperation mit Spielboden Dornbirn und Werk X
70 Minuten

Regie, Skript: Martin Gruber
Text: Martin Gruber und aktionstheater ensemble
Darsteller_innen und Stück-Mitentwicklerinnen: Susanne Brandt, Isabella Jeschke, Kirstin Schwab sowie Andreas Dauböck, Klaus Hämmerle, Michael Lind, Ernst Tiefenthaler, Emanuel Preuschl

Dramaturgie: Martin Ojster
Musik: Dun Field Three
Regieassistenz: Laura Loacker
Dank an: Elias Hirschl, Fabian Schiffkorn

Wann & wo?
Bis 2. Februar 2020, jeweils 19.30 Uhr
Werk X: 1120, Oswaldgasse 35a
Aktionstheater -> Heile mich

Werk-x -> Heile mich

Events.at -> Heile mich

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