Teesackerl ausgraben und das Innerste im Labor untersuchen
„Ich find’s sehr interessant, auch anstrengend, aber nur, weil es schon recht lange dauert“, wird gegen Ende dieses noch dazu noch recht warmen Tages Mirjam Weissmann im weißen Laborkittel dem Reporterteam ins Mikrophon sagen. Seit einigen Stunden arbeitet sie mit ihren Kolleg_innen aus der 2b der Wein- und Obstbau-HBLA Klosterneuburg – gemeinsam mit der Schnupperschülerin Lara Golubović, die sich voll einbringt, hier im Vienna Open Lab, um aus dem Inneren von Teebeuteln schrittweise DNA freizulegen. Teebeutel, die sie zuvor nach drei Monaten aus der Erde ausgegraben haben – dazu weiter unten.
Sinn und Zweck dieses Open Science-Projekt namens „TeaTime4School“ – und darüber hinaus: 4science - ist es, festzustellen, welche Bakterien, Pilze oder andere Kleinstlebewesen sich in den Teebeuteln zu schaffen machen. Bei diesem Prozess entstehen Kohlenstoffe, die als CO₂ in die Atmosphäre abgegeben werden. Große Mengen dieses Kohlendioxids wiederum sind für das zuständig was als Klimawandel bekannt ist.
Viele Phasen
Zuerst entfernen die Schüler_innen – angeleitet von Elena Kinz und Julia Auer vom Vienna Open Lab bzw. Open Science - mechanisch durch Sieben und Zentrifugieren Erde. Die Teebeutel waren ja im Boden der schuleigenen Weinberge vergraben. Nach und nach arbeiten sich die Jugendlichen durch Zugabe von Lösungsmitteln und anschließendem Abschöpfen geringer Mengen mit Hilfe von Pipetten, die exakt Flüssigkeitsmengen in den Griff kriegen, jenseits der Feststoffe an Zellen heran. Das reicht in diesem Wissenschaftsprojekt noch lange nicht, ist erst ein – wenngleich wichtiger – Zwischenschritt.
Ans Innere wollen sie heran. So muss – über wieder eine andere Lösung – die Zellwand aufgelöst werden. Und um letztlich die freigelegte DNA (Träger der Erbinformation, Basis der jeweiligen Gene) sichtbar zu machen, muss sie auf ein bestimmtes Gel aufgetragen und mit Hilfe eines Transilluminators mit einem ultravioletten Farbstoff versehen werden. Davor wird sie noch vervielfältigt, weil die Mini-Stückerln sonst zu klein wären, um sie weiter untersuchen zu können. Die Existenz von DNA ist der Beweis, dass sich hier Mikroorganismen zu schaffen gemacht haben. Aber um zu wissen, welche das sind, müssen die Teile noch an ein Speziallabor geschickt werden.
Fotos aus dem Vienna Open Lab
Schul-Weingarten
Zurück zum Ausgangspunkt: An der Klosterneuburger Agnesstraße steht ein Neubau der Obst- und Weinbauschule, der ältesten nicht nur Österreichs. Hier treffen wir – Kinder-KURIER und SchauTV – schon deutlich vor 8 Uhr früh die Jugendlichen der 2b. Aus dem Auto von Susanne Grausenburger, ihrer Lehrerin, holen sie Kübel, Schaufel, Schachteln mit dünnen Handschuhen und nicht zuletzt Styroporbehälter.
In drei Gruppen machen sie sich auf in die der Schule gehörenden Weinberge, den Agneshof. Die einen wandern ganz ins Tal, die zweiten in eine mittlere Lage und die dritten, die wir begleiten, ganz hinauf – auf eine Brachfläche. Hier sind die Teebeutel leichter zu finden als zwischen den Weinstöcken weiter unten. Marius Wittek, Klaus Stacher, Lukas Vogt und Lucas Züger werken hier mit Helene Berthold von der AGES. Die Brachfläche dient dem Bio-Anbau, beispielsweise fühlen sich Schmetterlinge hier sehr wohl.
Fotostrecke vom Ausgraben der Teebeutel
Einige nur messen, andere genau analysieren
Alle haben das Gleiche vor: Ein mit Stöcken markiertes kleines Stück zu finden. Hier graben sie Teebeutel aus, die sie vor drei Monaten in der Erde versenkt haben. Mehrere Beutel mit Grün- sowie mit Rooibus-Tee hatten sie mit beschrifteten Anhängern versehen. Fürs Angreifen einiger verwenden sie die erwähnten dünnen Handschuhe. „Aus denen wollen wir dann im Vienna Open Lab DNA extrahieren, um zu schauen, welche Mikroorganismen da in die Teebeutel geschlüpft sind. Drum dürfen sie nicht verunreinigt werden“, erzählt Lucas Züger dem Reporterteam. Bei den anderen sei es nicht so heikel, da „geht’s nur darum zu sehen, wieviel zersetzt worden ist“.
Rasch
Die Teebeutel kommen schnell in eine Styroporbox, um sei einigermaßen kühl zu halten, wenig später – zurück beim Auto der Lehrerin – in eine richtige Kühlbox. Es sollen ja keine weiteren Zersetzungsprozesse stattfinden. Deshalb muss auch noch am selben Tag die Untersuchung im Labor stattfinden.
Die schon eingangs genannte Mirjam Weissmann und ihre Kollegin Lena Ungersböck erinnert die Arbeit hier an schon vorangehende im schuleigenen Labor, „zur Untersuchung des Bodenaufbaus, aber dort arbeiten wir nicht mit so ganz kleinen Mengen. Das Pipettieren war ganz neu für uns.“
In höheren Klassen wird auch viel im eigenen Labor analysiert werden – vom Boden bis zum Wein, berichten auch Thomas Gangl und Christoph Schurm dem Reporterduo. Bei einer Diplomarbeit wurde beispielsweise untersucht wie es zum sogenannten Pferdeschweißgeruch im Wein kommen kann. Oder es wird ja auch viel an und mit neuen Sorten experimentiert. „Wir haben hier in den Weinbergen 100 verschiedene Sorten und auch schon viele neue gezüchtet“, sagen die beiden und der schon zuvor erwähnte Lucas Züger stolz.
Hier der Beitrag von SchauTV
gedreht von Carlo Toffolo
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Nicht die einzigen
Insgesamt bestimmen rund 3600 Jugendliche in ganz Österreich im Rahmen des genannten Schulprojekts über den sogenannten Tea Bag Index, wieviel organisches Material in den Böden der Umgebung ihrer Schulen wie schnell zersetzt wird. Nach drei Monaten graben sie die Teesackerl wieder aus, trocknen und wiegen sie, entnehmen auch Bodenproben und tragen die erhobenen Daten samt GPS-Koordinaten in eine Online-Karte der fünfsprachigen (Englisch, Französisch, Deutsch, Spanisch, Russisch) Website ein. Das machen nicht nur österreichische Schüler_innen, sondern erfolgt in vielen Ländern der Welt. So kann der Einfluss von Standort und Bodenzusammensetzung auf die Zersetzungsgeschwindigkeit untersucht werden. Im März 2019 sollen die Ergebnisse aller – auf ganz Österreich verteilten – Schulklassen vorgestellt werden.
Während aber alle anderen Klassen nur einmal Teebeutel vergraben haben, haben die Jugendlichen der Klosterneuburger HBLA schon im Dezember des Vorjahres erstmals Teesackerln ein, drei Monate später wieder aus- und neue eingegraben – das letzte Mal nun am 21. September 2018. Wenn sie die im Dezember wieder ausgraben ergibt sich ein gesamter Jahreszyklus. Obendrein haben sie – wie oben beschrieben – aus den zuletzt ausgegrabenen auch noch die DNA freigelegt, die noch weiter analysiert wird.
Hintergrund
„TeaTime4Schools“ wird gefördert durch Sparkling Science, ein Forschungsprogramm des Bildungsministeriums. Geleitet wird dieses Projekt von der AGES (Agentur für Gesundheit und Ernährungssicherheit), unterstützt von Open Science sowie der Projektschule Höhere Bundeslehranstalt für Wein- und Obstbau Klosterneuburg, SoWa Research Infrastructure und der Uni Wien.
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