Spurlos verschwunden: „Schon immer berührt und fasziniert“
Tim und Julian sind in den schottischen Highlands unterwegs. Es wird dunkel. Die Warnungen eines alten Mannes, nicht weiter in dieses Tal zu wandern, schlagen die beiden Burschen in den sprichwörtlichen Wind. Es beginnt zu schütten – wobei das fast schon ein Hilfsausdruck ist. Als würden sie voll angezogen durch einen Fluss waten, sehen sie ein einsames Haus, fühlen sich der Rettung ins Trockene nahe.
Irgendwer wohnt da. Will aber nicht öffnen. Dann doch. Später will die jugendliche Aileen sie gar nicht mehr weggehen lassen. Erzählt ihnen eine Geschichte von spurlos Verschwundenen nach der anderen. Irgendwas an ihr erscheint den beiden verdächtig. Ist gar sie schuld, ist sie…? Und der Tee, den sie ihnen serviert?
Spannung pur
Hätten sie doch auf die Warnung des Alten hören sollen? Kommen sie da je wieder lebend raus oder werden auch sie spurlos verschwinden? Wie die Geschichte endet, sei hier bewusst verschwiegen, verraten sei nur, dass es eine sehr überraschende Wendung gibt.
„Spurlos“ mit Untertitel „das düstere Tal“ ist der jüngste Roman von Robert Klement. Sein 26. Buch hat der ehemalige Mittelschul-Lehrer in einer seiner Lieblingsgegenden angesiedelt, den schottischen Highlands in denen er gern urlaubt. Die dünnst besiedelte Region Europas befand er für den idealen Schauplatz für eine Story rund um spurlos verschwundene Menschen. Dieses Phänomen bewegt und berührt ihn seit vielen, vielen Jahren, sagt er dem Kinder-KURIER in einem Telefon-Interview. Wie es in der heutigen Zeit, wo jede und jeder so viele digitale Spuren hinterlässt möglich ist, dass beispielsweise in Österreich praktisch jedes Jahr ungefähr zehn Menschen spurlos verschwinden. „Cold-Cases“ – wie ungeklärte Fälle im Kriminalistik-Jargon genannt werden – „haben mich schon immer sehr berührt und fasziniert. Und in den Highlands kommt das auch immer wieder vor.“
Missing
„Ich habe auch noch nie sonst irgendwo auf der Welt so viele Plakate mit der Suche nach Vermissten gesehen wie in Schottland. „Missing“ springt dir fast überall ins Auge.“ Und Klement war schon in vielen Ländern – meist zur Recherche für eines seiner Bücher, für die er immer akribisch Detail-Informationen sammelt, um sie dann in eine fiktive Geschichte einbaut, die so wahr sein könnte – weil sie jeweils aus unzähligen tatsächlichen Mosaiksteinchen zusammengebaut ist.
Zwei solcher Fälle, die Klement in den Roman einbaut, basieren auf verschiedenen tatsächlich vorgekommenen Vermissten-Suchen. Für die Geschichte mit dem Filmregisseur, der auf der Suche nach Locations für den nächsten Dreh in einer Lebenskrise von der Bildfläche verschwindet, hatte der Autor eine andere Inspirationsquelle: Den Film „Der Soldat James Ryan“ (Originaltitel: Saving Private Ryan) von Steven Spielberg. "Ich habe gelesen, dass Hauptdarsteller Tom Hanks für die Vorbereitung auf die Rolle als Captain der US-Army, die in Frankreich landen soll - um von dort gegen Nazi-Deutschland zu kämpfen -, allein durch die Normandie gereist ist. Das hat mir imponiert!"
Jugendgewalt
Spurlos verschwunden – ist aber nur ein, wenngleich in diesem Fall das zentrale Erzählthema des rund 100-seitigen, flott zu lesenden Jugendromans. Ein zweites Thema war – wie Robert Klement im Interview schildert – ebenso wichtig. Das baute er so „nebenbei“ ein: Jugendgewalt. Aufgerüttelt durch die Beobachtung (aus seinem Hotelzimmerfenster) eines brutalen Überfalls auf einen Jugendlichen in Glasgow und verstärkt durch das millionenfach im Internet geklickte Video einer Gewalttat an einem Mädchen in Wien, „wollte ich dieses so schwierige Thema unbedingt in ein Buch einbauen. Immer war damals nur die Rede von Gewalt in London, aber auch in Glasgow kam es fast täglich zu brutalen Konflikten. Jugendgewalt ist immer ein Indikator für gesellschaftliche Missstände“, so der Autor.
Dieses Thema baut Klement in eine der Erzählungen Aileens über ihren Freund Noah ein. Die gesellschaftlichen Hintergründe werden im Roman leider nicht angesprochen, die schildert der Autor dem Kinder-KURIER: Stolze Dock-Arbeiter verloren massenweise ihre Jobs, stürzten auch psychisch ab. Jugendliche fanden gar keine Arbeit, für viele wurden Straßengangs ihr Zuhause und ihre „Familie“.
Das nächste Buch: Bran, aber keine klassische Vampirgeschichte
Eigentlich wollte Robert Klement einen Roman über Kinderarmut in Österreich schreiben. Dazu hat er bereits einen Plot, doch kein Verlag wollte bisher so ein Buch veröffentlichen, klagt der Autor sichtlich und hörbar enttäuscht.
So machte er sich auf nach Rumänien – natürlich alles vor Corona mit den Reisebeschränkungen – besuchte historische Städte, nicht zuletzt auch das Schloss Bran. „Es wird aber keine klassische Vampirgeschichte, sondern eine über einfache Menschen, die im Schloss und im gleichnamigen Ort leben und arbeiten – natürlich mit sozialkritischen Aspekten.“ Als solche nennt Klement die Euro-Waisen, also jene Kinder, deren Mütter im Westen vor allem in der Pflege wochenlang – in der Corona-Zeit sogar monatelang – arbeiten (müssen), um ihre Familien ernähren zu können, die sie allein zu Hause lassen müssen. Insofern findet – nicht nur – der Autor, dass die Entscheidung der schwarz-blauen Regierung die Familienbeihilfe für diese Pflegekräfte zu kürzen, mehr als ungerecht.
Freunderlwirtschaft, Korruption und das Weggehen vor allem junger Menschen werden diese soziale Sittenbild ergänzen. „Ich habe viele Gespräche geführt, auch mit Menschen, die vom Dracula-Tourismus leben, der jetzt auch ausbleibt und damit die Not noch vergrößert. Mir haben Leute aber auch Erlebnisse geschildert, dass sie Ärzten Schmiergeld für Operationen zahlen müssen. In einem Fall hat der Arzt gesagt, er müsse dem Sohn einen Fuß amputieren, aber wenn sie mehr zahlen, kann er das Bein retten.“
Robert Klement
Spurlos – Das düstere Tal
ca. 100 Seiten
Ab 12 Jahren
Verlag Obelisk
13 €
obelisk-verlag -> Spurlos
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