Lernhilfe in familiärer Atmosphäre
Zwischen der offenen Küche und dem Lernraum in einem Hinterhaus in der Meidlinger Fockygasse hängen bunte Luftballons. Der Raum, in dem an den Tischen jeweils ein bis zwei Kinder bzw. später Jugendlich sitzen und lernen, hat fast Wohnzimmer-Atmosphäre. Hier werken beim Besuch des Kinder-KURIER Subhan, Manmeet, Parsa, Aman, Seyyithan und Dawud an ihren Hausübungen. Oder an Aufgaben, die sie für den nächsten Test können müssen. Oft handelt es sich um Mathe-Beispiele. So versucht sich Dawud zu merken, wie er Kilometer in Meter oder noch kleinere Einheiten umrechnet. Und umgekehrt. Dabei hilft ihm Domenika. Sie ist die Leiterin des Vereins JUHU! (Dazu weiter unten).
Wenn Mathebeispiele eigentlich Deutschaufgaben sind
Subhan und Manmeet lernen für einen Mathe-Test. In Wirklichkeit steht aber Deutsch auf ihrem Lernprogramm. Es geht um Text-Aufgaben und deren Verständnis. Und so ist anfangs gar nicht die konkrete Berechnung einer Lösung gefragt, sondern „nur“, ob eine Plus- oder eine Minus-Rechnung den richtigen Weg weist. Ihnen geht mit Muriel eine der Praktikant_innen zur Hand. Sie kann sich diese Tätigkeit für ihre Ausbildung in Sozialer Arbeit anrechnen lassen.
Schon viel verbessert
Parsa und Aman vertiefen sich in Deutsch, wobei ersterer flott eine ganze Geschichte mit 97 Wörtern schreibt. „Ich soll in der Schule 100 haben“, gesteht er. Worauf er von Katrin, der der fixen Lernbegleiterinnen Tipps kriegt: „Überleg dir bei verschiedenen Nomen (Hauptwörtern, die du großschreibst), ob dir nicht Eigenschaften zu ihnen einfallen, Adjektive. Wie ist zum Beispiel der Vater, der in der Geschichte vorkommt?“ Schon sprudelt Parsa los: „lieb, groß, stark...“ Und im Nu ist die 100er-Grenze schon überschritten.
In der folgenden Pause wird er dem Kinder-KURIER anvertrauen: „Ich komm jetzt schon seit vier Monaten einmal in der Woche her und seither haben sich meine Noten in Deutsch verbessert. Katrin hat mir immer gezeigt und gesagt, wo ich was verbessern kann. Und seither übe ich auch zu Hause.“
Irgendwie familiär
Die heimelige, fast familiäre Atmosphäre wird noch dadurch unterstrichen, dass in der Pause alle in die offene Küche kommen, sich Obst und Getränke nehmen und anschließend im Spielzimmer verschwinden. Die einen drehen die Stangen am Tischfußball, andere werden die Softpfeile mit den Klettverschluss-Spitzen auf die Stoff-Scheibe. Wieder und immer wieder.
Spiel und Entspannung steht aber nicht nur in der Pause an, in der wird auch der nächst-sonntägliche Ausflug besprochen. Auch das gehört zur familiären Atmo.
Laptop und Drucker
Nach einer weiteren Lerneinheit verabschieden sich die genannten Kinder und ältere, Jugendliche kommen. Marcel, Abbas, Mateja, Kosta und Moses sowie ein Mädchen, das nicht namentlich und schon gar nicht mit Foto aufscheinen will/darf, vertiefen sich in ihre anstehenden Hausübungen bzw. Lernaufgaben. Abbas bittet um einen Laptop. Als Hausübung muss er einen Geschäftsbrief aus dem Schulbuch abschreiben - und ausdrucken. „Einen Computer hab ich schon zu Hause, aber keinen Drucker“, sagt er.
Muster-Heft
Marcel macht sich über Rechnungen her und Mateja über die Lösung der Aufgabe, wie viele Obstbäume auf einem 78 m²-Garten pflanzen könne, wenn jeder Baum 13 m² Platz benötige. Das Problem scheint zu sein, dass ihm die Divison irgendwie zu leicht vorkommt. Mateja zeichnet sich übrigens durch ein Mathe-Heft aus, das sogar seine Lernbegleiterin hier, Praktikantin Isabella, in Verzückung setzt. So fein säuberlich geschrieben, verziert und teils gestaltet mit ausklappbaren Flächen - einfach zum Niederknien.
Klares Ziel
In der Zwischenzeit macht sich Moses daran, Reimwörter für einen Lückentext im Schulbuch zu finden, die zunächst keinen Sinn zu ergeben scheinen, bis das in den letzten beiden Zeilen selbst angesprochen wird. Auf dem Nebentisch blättert Kosta sein Chemie-Buch durch, vertieft sich kurz in die Tabelle des Periodensystems der chemischen Elemente. Kurz schaut er sich mit Muriel auch noch Physik sowie mathematische Funktionen an. All das steht in den nächsten Tagen und Wochen als Prüfungen in der Schule an. Seit drei Jahren ist er in Österreich, wiederholt jetzt die vierte Klasse Mittelschule, ist auf einem guten Weg und hat ein klares Ziel: „Ich möchte die Chemie-HTL in der Rosensteingase machen.“ Chemie ist seine Leidenschaft, da kennt er sich aus. Und um den „Rest“ entsprechend zu schaffen, holt er sich hier bei Juhu! Unterstützung, Hilfe zur Selbsthilfe.
Hintergrund: Intensive Klein(st)Gruppen
JUHU! steht für „Jugend Hilfswerk der Familie Umek – Verein zur Unterstützung hilfsbedürftiger junger Menschen“. Vor zwei Jahren beschlossen der Unternehmer Klaus Umek und seine Mutter Ingrid, die sich schon lange im Sozialbereich engagiert hatte, diesen Verein zu gründen - mit dem Ziel, sozial benachteiligten Kindern und Jugendlichen beim Lernen sozusagen unter die Arme zu greifen. Trotz aller öffentlichen und anderen karitativen und privaten Einrichtungen - u. a. Lernhaus des KURIER - kann es hier ohnehin nicht genug Angebote geben.
Die schon oben erwähnte Leiterin Domenika Gasser zeichnet für das pädagogische Konzept und die Geschäftsführung verantwortlich. Sie legt aber auch viel Wert darauf, möglichst viel auch als Lernbegleiterin zum Einsatz zu kommen. UND: „Wir sprechen sofort nach jeder der Einheiten über alle unsere Schülerinnen und Schüler, Lernfortschritte und was noch zu tun ist. Das dokumentieren wir auch gut, damit daran angesetzt werden kann, wenn das nächste Mal vielleicht dieses Kind/dieser Jugendliche bei einer andere Lernbegleiterin ist.“
Freizeit und Workshops
Hilfe bei Hausübungen und Lernen für Prüfungen gibt es vielerorts - aber immer ist noch Bedarf. Und was bei JUHU! auffällt: Intensive Klein(st)-Gruppenbetreuung. Auf eine Betreuungsperson kommen nicht mehr als zwei Kinder/Jugendliche. Die kommen in der Regel ein- bis drei Mal wöchentlich.
Die drei Hauptamtlichen, sowie Praktikant_innen und Ehrenamtliche können so alles in allem pro Semester 50 bis 55 Kinder und Jugendliche begleiten. Neben der Lernbegleitung (Mo - Do) werden freitags Jugendliche bei Bewerbungsunterlagen sowie Jobsuche unterstützt.
Darüber hinaus wurden schon oben gemeinsame Freizeitaktivtäten angesprochen, außerdem werden immer wieder auch diverse Workshops im kreativen Bereich organisiert bzw. Vernetzung zu bestehenden Angeboten hergestellt.
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