Kunstausstellung im Museum plus Programmieren
Rund um ein großes Boden-Mosaik im Museum Moderner Kunst (MuMoK im Wiener MuseumsQuartier sitzen, hockerln, liegen eineinhalb Dutzend Kinder. Aufmerksam betrachten sie die unterschiedlichsten Formen und Farben dieses Objekts in der Ausstellung „Pattern and Decoration. Ornament als Versprechen“. Dann beginnen sie zu zeichnen - mit Stiften auf Papier, also analog.
Dies zu betonen drängt sich auf, denn Linus, Marci, Felix, Anika, Mila, Lion, Yanis, Nikolaus, Paul, Haina, Leonhard, Rosalie, Isadora, Pia und zwei Moritze besuchen 14 Wochen lang am Samstagvormittag den Kurs Scratch-Lab. Scratch ist ein - kostenlos online verfügbares - Programm, um rasch und einfach Spiele und Animationen zu schaffen. So „nebenbei“ lernst du mit Scratch, wie diese Technik (im Englischen Coding genannt) funktioniert.
Natürlich nicht abmalen
Die jungen analogen und digitalen Kreativen malten natürlich nicht ab. Sie ließen sich von diesem Mosaik „nur“ inspirieren, um eigene Muster - zunächst aufs Papier zu bringen - um sie später in Scratch auf Laptops zu übertragen und zu animieren. „Kann ich auch eine Katze zeichnen?“, fragt Lion. „Natürlich, probier’s halt als Mosaik“, kommt eine Anregung an ihn.
Nach dem Ausflug in die Ausstellung, bei der die Kinder - gemeinsam mit Claudia und Benedikt, dem Kunstvermittlungs-Duo dieses Kurses - auch noch ein paar andere Werke betrachten und davon ausgehend über Muster sprechen - und sie auch in der eigenen Kleidung oder im Boden entdecken, geht’s zurück an die Laptops im Atelier.
Am Anfang ein Quadrat...
Anika nimmt eine der Mosaik-Grundformen, ein Quadrat. Sie gestaltet es farblich samt dickerem Rand, dreht es um 90 Grad (einen Viertelkreis) und verzerrt es. Diese bunte Raute schiebt sie nun auf ihre „Bühne“, wie die Arbeitsfläche in Scratch genannt wird. Danach beginnt sie zu programmieren. Farben wechseln bzw. vervielfachen lässt sich diese Raute nun mit den Pfeiltasten - so oft vervielfältigen bis die vielen Rauten praktisch wie eine einzige Fläche aussehen. Pfeiltaste nach unten - schon werden die Rauten weniger - und damit wieder erkennbar. Du kannst dir dieses Werk mit dem Titel Kunst - samt der Anleitung wie’s funktioniert - im MuMoK-Scratch Lab anschauen (einige Links am Ende des Beitrags unten).
Wär übrigens cool, wenn einige der Arbeiten aus diesem Workshops aber auch aus anderen Ateliers vielleicht im Foyer des Museums für alle Besucher_innen zu sehen wären ;)
Labyrinth
Rosalie hingegen lässt die Muster hinter sich, sie arbeitet hier lieber an ihrem Projekt weiter, einem Labyrinth mit bereits vier Levels. Das am Computer in Scratch gezeichnete Labyrinth muss mit einer Figur durchlaufen werden, möglichst ohne an die Wände anzustoßen. „Die Figur hat drei Leben, wenn sie anstößt, verliert sie immer ein Leben“, erklärt die junge Programmiererin. Nun klebt sie ihr Namens-Pos-It an den oberen Rand des Laptop-Monitors. Das ist das Zeichen dafür, dass sie Hilfe benötigt. Dafür stehen nicht nur die beiden aus dem Kunstvermittlungs-Duo zur Verfügung, sondern auch ein Duo aus dem Kreis der Teilnehmer_innen: Haina und Marci agieren als Peers.
Rosalie braucht jetzt Hilfe, weil es ihr zunächst nicht und nicht gelingen will, dass - nachdem ihre Spielfigur die Wand des letzten Levels erreicht hat -, das schon schön gestaltete Schild mit Sternen auf dem „Geschafft!“ steht, auftaucht. Mit Unterstützung klappt’s dann doch bis zur Abschlussrunde, wo sie ihr Labyrinth - siehe Video gleich drunter - so wie Anika ihre Rauten-Animation präsentiert.
Peers
Haina, jetzt Gym-1.-Klässlerin, hat, wie sie dem Kinder-KURIER erzählt, „schon in der zweiten Klasse Volksschule mit Scratch angefangen. Eigentlich wollte ich zuerst gar nicht, meine Mutter hat mich überredet, mich für diese Übung in der Schule anzumelden. Dann bin ich aber rasch draufgekommen, wie cool das Programm ist. In der Volksschule hab ich dann auch zu Hause viel damit gearbeitet, jetzt im Gymnasium nicht mehr so viel, weil die Schule schon sehr stressig ist.“ Wobei Haina außerdem seit fünf Jahren Geige spielt „und ein bisschen Klavier und dann geh ich auch noch tanzen“.
Am Vormittag des KiKu-Lokalaugenscheins ist Haina fast nur als Peer-Helferin im Einsatz, vor allem Leonhard hat viele Fragen. Aber Haina macht es sichtlich Spaß, ihr Wissen zu teilen. Aber auch, weiteres Wissen zu erwerben. „Obwohl ich schon das vierte Jahr scratche, kann ich noch viel lernen“, und das klingt ganz und gar nicht wie eine hohle Phrase.
Reagiert auf Lautstärke
Nicht ohne Stolz zeigt sie dem Kinder-KURIER eines ihrer Lieblingsprojekte: Es erscheint eine bunte Spirale. Die reagiert auf Lautstärke. „Bist du leise sind die Linien dünn, wirst du lauter, werden die Linien dicker.“ Du kannst das ausprobieren, den Link zu diesem Projekt, das im Vorjahr eine Woche lang auf dem deutschen Scratch-Wiki als bestes Projekt gelistet wurde, findest du ebenfalls unten.
„Da hab ich gar keine Figur auf der Bühne, nur der bunte Stift erzeugt die Spirale, ich hab Tempo und Drehwinkel und Empfindlichkeit des Schallpegels programmiert ...“ - mehr dazu im Video.
Gemeinsam lernen
Noch viel lernen zu können - das sagt übrigens auch Benedikt, der Scratch-Auskenner und „Erfinder“ dieses Labs im MuMoK, der auch in den USA Scratch-Workshops abhält. „Ich lern von euch immer wieder viel.“ Lernen sollte und muss im 21. Jahrhundert längst ein gemeinsamer Prozess sein, findet er grundsätzlich.
„Außerdem bringt ihr mich dadurch, dass ihr schon so viel wisst und könnt, immer wieder an meine Grenzen und ich muss mich weiterbilden“, sagt er Haina und Marci. Mit ihnen macht er nach dem Kurs sozusagen ein Privatissimum - bei dem diesmal besprochen wird, wie Blöcke so programmiert werden können, dass manche Abfragen im Programm-Hintergrund nicht jede Millisekunde gestellt werden, sondern nur dann, wenn sie wirklich gebraucht werden.
Die Zusatz-Stunden gibt’s einerseits, da die Peers oft nicht dazu kommen, an ihren eigenen Projekten weiter zu arbeiten und andererseits sind sie als Auskenner_innen mitunter von den Aufgabenstellungen unterfordert. Mit Haina verbindet ihn übrigens noch die musikalische Betätigung. Benedikt spielt - und unterrichtet - Kontrabass. Und auch da, so lässt er anklingen, arbeitet er ähnlich. Freude am Spiel so zu vermitteln, dass die Teilnehmer_innen liebend gern selber üben...
Englisch und auch Fußball
Marci zeigt sein interaktives Spiel, wo eine Katze Fragen stellt, die du beantworten kannst/sollst, wenn du sein Spiel besuchst - auch hier ist der Link unten. Für so manches seiner Projekte „verwende ich Englisch, damit hast du auf der Plattform mehr Erfolg, weil’s mehr Leute anschauen“, verrät er dem KiKu. „Ich hab auch mehrere Accounts und mach lieber ständig lauter kurze Sachen als eine lange.“ Neben Scratch liebt Marci vor allem Fußball spielen - nicht am Computer, sondern Real Life im Fußballkäfig seiner Schule.
Hintergrund rund um Scratch
Bei Scratch ist keine Programmiersprache erforderlich, über eine grafische Benutzeroberfläche funktioniert es nach Baukastenprinzip. So spielerisch wie es ausschaut und funktioniert, arbeitet auch das Team, das dieses Programm am MIT, dem renommierten Massachusetts Institute of Technology, entwickelt hat. Sie nennt sich „Lifelong-Kindergarten-Group“ (lebenslange Kindergarten-Gruppe) - und so schaut’s auch auf ihren Arbeitsplätzen aus. Spielerisches Lernen ist für sie praktisch Alltag.
Mitchel Resnick aus dem Media Lab des MIT fragte vor 15 Jahren bei einer Tagung (der Kinder-KURIER war eingeladen) des damals noch existierenden Lego-Learning Institutes die Teilnehmer_innen, welches die wichtigste Erfindung der vergangenen 1000 Jahre wäre. Und verneinte die Vorschläge von Dampfmaschine über Buchdruck bis Computer. „Es war der Kindergarten!“ Mit Friedrich August Wilhelm Fröbels um 1840 im thüringischen Blankenburg gegründeter „Anstalt zur Pflege des Tätigkeitstriebes und des gesamten Lebens der Kindheit durch Spiel und Beschäftigung“ sei ein völlig neuer Zugang zu Erziehung und Lernen durch Experimentieren und Entdecken der Welt beschritten worden, so der Wissenschafter. Das Revolutionäre war, dass Erziehung innerhalb der Familie eine Ergänzung und Erweiterung fand durch Personal, das speziell dafür qualifiziert wurde, Kinder möglichst früh und vielseitig anzuregen. Ein anregendes Umfeld gepaart mit emotionaler Zuwendung und nicht die Übernahme strikter formalisierter Lernformen aus der Schule in die Vorschulphase fördern den Lernprozess. Was in der Pädagogik schon lange erkannt wurde, wird in den vergangenen zwei Jahrzehnten auch von der Hirnforschung bestätigt.
Links
Das Studio zum mumok Scratch Lab findest Du hier: https://scratch.mit.edu/studios/5854485/
Hainas Spiral-Projekt: https://scratch.mit.edu/projects/213175528/
Eines von Marcis Projekten: https://scratch.mit.edu/projects/292648071/
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