Junge-Burgtheater-Workshops: "Das Zoom-Kasterl ist eure Bühne!"

Screenshot aus einem der Workshop-Online-Treffen - mti einigen gedrehten Bildern
Workshops der Jungen Akademie des Burgtheaters. Der Kinder-KURIER durfte zuschauen und mit Teilnehmer_innen reden. Samstagabend (6.2.) Video-Stream fürs Publikum.

Verschiedene bunte, aufgespannte Regenschirme „blicken“ aus neuen Zoom-Fenstern entgegen. Gespannt, was sich hinter diesen verbirgt? Da und dort lugt plötzlich ein Auge hervor, ist eine Stirn zu sehen, ruckartig tauchen die Gesichter der Schirmträger_innen auf. Samt in den Raum geworfenen Sätzen, was sie an sich gut finden, was sie dem Kanzler sagen wollen oder auch nichts. Vieles dreht sich um Mut, um Widerspruch. Recht schnell fallen Zitate von Antigone. Sie ist ihre Heldin bei „Regeln ändern“, einem der derzeit – praktisch nur online – laufenden Workshops im Rahmen der „Jungen Akademie des Burgtheaters. Ein Zusammenschnitt aus der Arbeit der Workshops ist Samstagabend (6. Februar) zu sehen. Siehe unten unter Infos.

Mit Schirmen gegen Regen brechen von Regeln

Antigone und die Regenschirme waren ein Input der Regisseurin und Workshop-Leiterin Raphaela, die aus München problemlos durch die Online-Meetings die Grenzen ohne Test und Quarantäne überwinden konnte ;) Immer wieder ermutigt sie die Teilnehmenden – Anika, Peta, Orlando, Peter, Michaela, Pauline, Luca, Vicky und Frederica – eigene Ideen einzubringen, aber auch durchaus überraschend individuell Vorgegebenes zu durchbrechen – entsprechend dem Workshop-Motto.

Einzig und allein sollte darauf geachtet werden, nicht jener oder jenem die/der gerade dran ist sozusagen die Show zu stehlen. Auf dem mehr oder minder kleinen Monitor der zusehenden sollte der Fokus schon auf jener Person liegen, die gerade was zu sagen oder darstellen zu hat. „Denkt dran, euer Kasterl ist eure Bühne, die Kamera – das sind 500 Zuschauer_innen“, kommt eine Regie-Anweisung von Raphaela.

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Antigone

„Ich mag Antigone, weil sie an sich glaubt. An mir selber mag ich, dass ich mutig sein kann!“ Sätze in dieser oder ähnlicher Art folgen. Noch werden Regeln nicht gebrochen. Doch nach und nach beginnt auch das, während der Reporter zuschauen darf.

Vor den Zoom-Meetings, so erfährt der Kinder-KURIER im anschließenden Gespräch mit der Gruppe, war eine WhatsApp-Gruppe vorgeschaltet, in der die Regisseurin anregte, Verbotsschilder, Musikwünsche und Sätze reinzustellen. „Don’t feed my fears“ (Füttere nicht meine Ängste) fand Peta – „irgendwo im Netz – das hab ich einmal gesehen und lange in meinem Kopf“. Einzelne der „Kasterln“ werden nun mit weiteren, meist online gefundenen, Verbotsschildern gefüllt, darunter eins, das noch vor einem Jahr völlig absurd erschienen wäre: ein Piktogramm mit Händeschütteln, das rot durchgestrichen ist.

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Von Angesicht zu Angesicht: Sofort in die Arbeit gestürzt

Wobei die WhatsApp-Gruppe eher schleppend funktioniert habe, wie die Regisseurin schildert – mit Ausnahme der Songs. Aber ab dem ersten Online-Video-Meeting sei alles anders gewesen. „ich hatte das Gefühl, da sind wir alle sofort in die Arbeit eingestiegen, es gab nicht einmal eine Vorstellrunde. Wir sind gar nicht dazu in die Not geraten. Wir hatten alle Bock, sofort zu arbeiten. Ab dem Moment wo wir uns sehen konnten, war das Schweigen gebrochen. Ein Kennenlernen fand erst am dritten Online-Probentag statt“, schwärmt Orlando.

Frederica unterstreicht diese Erfahrung. „ich bin erst später in die Gruppe gekommen und konnte anfangs in der WhatsApp-Gruppe mit den Verbotsschildern gar nichts anfangen, aber ab den Zoom-Meetings konnte ich voll mitarbeiten.“

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Irgendeine Abwechslung

Sie war auf der Suche, irgendwas zu tun. „Ich bin 15 und seit Oktober im Lockdown, ich suche ständig nach Projekten, die Abwechslung bieten, auch wenn’s nur am Computer ist.“

Auch Peter, der seit zehn Jahren Theater spielt, „war froh, irgendetwas machen zu können, ich bin seit März im Bühnen-Lockdown, wobei solche Projekte kein Ersatz sind, sondern eine Erweiterung. Ich finde es geil, was Neues kennen zu lernen, das ist ganz spannend. Ich spüre aber ein Damoklesschwert, das schon mein Haar erreicht, dass es in die Richtung gehen könnte: Leute gewöhnt euch daran, das ist die Zukunft der Kunst. Und das will ich sicher nicht!“

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Theater-affin

Viele der Teilnehmer_innen haben schon mit Theater zu tun, andere, wie die 15-järige Frederica, die schon mehr als ein Drittel ihres Lebens bei Theater- und Musicalprojekten in Österreich, Spanien und Russland, wo sie lebt(e), mitgemacht hat, weiß noch nicht, ob Schauspiel oder Gesang sie professionell auf die Bühne bringen wird.

Orlando, vorbelastet durch schauspielende Eltern, hatte mit einem Studium der evangelischen Theologie ein wenig gegen die sozusagen vorgegebene Laufbahn rebelliert, „aber nach vier Semestern dann doch abgebrochen“, um nun doch wieder in Richtung Bühne statt Kanzel und Altar zu schreiten.

Vicky wird „Gymnasiallehrerin für Deutsch und Französisch und möchte viel Theatererfahrung und –erlebnis in den Unterricht einbringen“.

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Neu, spannend, dauernd Regeln brechend

Für Peta war „Zoom für mich total neu“, sie findet es spannend „privat und gleichzeitig präsent zu sein. Ich sehe dabei auch sofort, wohin meine Augen schauen, bei welcher Kollegin oder welchem Kollegen ich gerade bin.“

Zum Motto „Regeln brechen“ bringt sie eine unbeachtete perspektive ein: „Als Künstlerin ist unser gesamtes Leben doch mit Regeln brechen und ändern zu tun. Das wird doch von uns sogar verlangt. Da ist das Aufstellen von Regeln sogar schwieriger. Wir können uns unsere Welt erschaffen.“

Michela, die die ganze Zeit konzentriert zuhört, hat als Input für die weitere Arbeit einen Text verfasst, den sie dem Kinder-KURIER zur Verfügung stellt, damit wir daraus Auszüge zitieren dürfen. Voilà, hier sind einige Sätze daraus:
„Hier bin ich. Wo bist du? Dir ist es egal. Wie kann dir das egal sein? … Ich brauche keine Leute, die mir nachfolgen, ich suche Mitstreiterinnen und Mitstreiter. Die, denen es nicht egal ist. Kommt wir tanzen auf den Tischen und halten allen ins Gesicht was wir unter ihren Teppichen gefunden haben. Wir kämpfen und tanzen und schreien und sprechen. Wir verlangen nach Freiheit. Nach mehr Freude und Friede und weniger Angst und Ignoranz. Wir tanzen gemeinsam und doch jeder anders. Das macht uns stark.“

Follow@kikuheinz

Screenshot aus einem der Workshop-Online-Treffen - mti einigen gedrehten Bildern

Screenshot aus einem der Workshop-Online-Treffen - mti einigen gedrehten Bildern

Es gab fünf verschiedene Workshops der Jungen Akademie des Burgtheaters, teils mit Kooperationspartner_innen
* Wer darf Widerspruch (Burgtheater Studio & Brunnenpassage & Kunsthalle Wien)
* Spieglein, Spieglein an der Wand, wer ist die schönste im ganzen Land? (Burgtheater Studio & Gleis 21)
* „Es war einnmal“ (Burgtheater Studio & JuHu)
* Regeln ändern sowie
* Über die Grenzen in die Freiheit

Ein Zusammenschnitt aus den – praktisch ausschließlich online arbeitenden – Workshops ist am
Samstag, 6. Februar ab 19 Uhr

natürlich online zu sehen – auch für alle interessierten Nicht-Mitwirkenden ;)

An die rund 1 ½ Stunden schließt sich ein zoomiges Publikumsgespräch an. Die rund eineinhalb Stunden selbst sind aber auch danach – für 72 Stunden (also bis Dienstagabend) noch nach-zusehen, und zwar hier

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