"Aber in dieser Rolle gibt es viel zu entdecken"

Gruppenfoto des jungen Ensembles für "Kriegerin"
Proben-Besuch für „Kriegerin“ des Burgtheater-Studios wo vor allem Jugendliche spielen.

Burgtheater, Seiteneingang – für Mitarbeiter_innen des großen Hauses, irgendwo ein Lift, lange Gänge, Stiegen, fast ein wenig – oder sogar mehr - verwirrend. Und wir landen im Vorraum eines Proberaumes. Nach und nach treffen sehr jungen, teils noch jugendliche Schauspieler_innen ein. Im Raum proben schon zwei von ihnen mit Regisseurin und anderen hinter den Kulissen Mitwirkenden, die eine oder andere Szene.

Hier draußen werden die Gespräche für die drinnen zu laut – und so ziehen die Spieler_innen, die noch nicht dran sind, mit einer Regie-Assistentin zwei Mal ums Eck in einen Gang im 3. Rang. Zwischen einem recht alten Gemälde eines der berühmtesten Schauspieler dieses Hauses, Josef Kainz (1858 – 1919) in der Rolle als König Richard II, und dem hell-bunten von Xenia Hausner gemalten Porträt des „Aufreger“-Burgtheater-Direktors Claus Peymann (1986–1999) findet sich die Runder der jungen Darsteller_innen zum Aufwärmen.

Körper, Stimme und Interaktion aufwärmen

Hocke, strecken, dehnen – zum Aktivieren der Gelenksflüssigkeiten. Bewegungen im Kreis weiterreichen, übernehmen, verändern und … nicht nur als körperliches Aufwärmen, sondern auch, um aufeinander zu reagieren, sich zu konzentrieren. Und dann endlich was Flora schon mehrmals vorgeschlagen hat, das Auto-fahren – um nicht nur körperlich, sondern beim „brrrrrrmm“ auch stimmliche Aufwärmübungen zu vollführen. Bis sie auch den später im Stück vorkommenden Song anstimmt – leise, sanft und doch kraftvoll … bitterböse, anklagend, aber doch nicht weinerlich, sondern sehr enttäuscht besingen die Zeilen auf Englisch das europäische Gesetz – keine Wahl, keine Freiheit für Rasul, den jungen aus Syrien vor dem Krieg geflüchteten Rasul in dem Stück „Kriegerin“ des Burgtheater-Studios nach dem gleichnamigen Kinofilm aus dem Jahr 2011.

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Probenszene

Doppelbesetzungen

Die meisten Rollen werden von Jugendlichen bzw. jungen Erwachsenen verkörpert – einige von ihnen schon mit langjährigen Schauspielerfahrungen. Für andere ist Theater relativ neu. Manche Rollen sind auch doppelt besetzt, sodass bei einigen Vorstellungen weitere Jugendliche zum Zug kommen. Diese studieren in der Regel gleich mehrere Rollen ein, schlüpfen also in unterschiedliche Charaktere.

Immer wieder

Zwei Profis ergänzen das Ensemble für dieses Stück, das vorerst drei Mal im Jänner zu sehen ist, aber in den regulären Spielplan aufgenommen werden soll, um immer wieder über die Saison verteilt im Verstibül aufgeführt zu werden.

Film und Stück drehen sich um Marisa, eine junge extreme Rechte, die Menschen wie Rasul als Abschaum und Untermenschen bezeichnen – und auch so empfinden. Und dennoch wird sie es sein, die durch die Begegnung mit ihm einerseits und die Abwertung ihrer Person, weil sie Frau ist, in ihrer Gang andererseits, ihr bisheriges Weltbild samt den dazugehörigen Vorurteilen in Frage zu stellen beginnt.

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Probenszene

Überraschend

Diese Marisa wird von Hanna Mannsberger gespielt. Im Gegensatz zu vielen anderen ihrer jungen Kolleg_innen, spielt sie erst seit kurzem Theater. „Es hat mich zwar immer schon gereizt, schon als Kind“, aber irgendwie hatte sie sich nicht zugetraut auf der Bühne ihre Stimme zu erheben. Denn Bühne selbst war für sie nichts Ungewöhnliches, „von 14 bis 19 hab ich eine Tanzausbildung gemacht. Vor knapp einem Jahr aber hab ich mir dann gesagt, ich will das jetzt auch mit dem Schauspiel angehen“ und sammelte in einem Theaterclub erste Erfahrungen mit Schauspiel. Nun studiert sie an der Uni für angewandte Kunst künstlerisches Lehramt – als mögliches zweites Standbein. Dann kam die Info über das Casting für „Kriegerin“ wo sie sich bewarb aber gar nicht so viele Chancen ausgerechnet hatte.

Übrigens: Wie in vielen anderen, vor allem Theater, die mit Jugendlichen arbeiten, sind Castings hier im Studio des Burgtheaters, kein prüfungsmäßiges Vorsprechen, sondern gemeinsame Workshops, wo die Theaterleute, die dann die Auswahl treffen nicht zuletzt auch auf das Zusammenspiel achten.

Und dann gleich diese Rolle. Keine leichte Sache, „natürlich sind meine Einstellungen genau das Gegenteil von Marisas. Ich bin offen und strahlend. Aber in dieser Rolle gibt es viel zu entdecken. Ich musste draufkommen, erspüren, verstehen, woher ihre Wut und ihr Zorn kommen. Was mir nicht so schwer fällt, ist dann wenn’s drauf ankommt, Vollgas zu geben, weil ich schon sehr temperamentvoll bin. Aber so denken wie Marisa könnte ich nie.“

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Probenszene

Froh, mehr als eine Fliege zu spielen

Mit ihrem Gesang überzeugte Flora Egbonu nicht nur am Gang im 3. Rang beim Aufwärmen, sondern auch im Proberaum. Darum verwunderte es den KiKu-Reporter als sie im Interview sagte, dass ihr im Musikgymnasium mehr oder minder verboten worden sei zu singen. Schauspielerfahrung hatte sie schon allerdings nur sehr am Rande. Über ihren Vater durfte sie einmal in Moskau im Tapferen Schneiderlein eine Fliege spielen, „aber ich hab das vor allem gemacht, weil ich die Gelegenheit nutzen wollte, nach Moskau zu kommen“. Ansonsten hat sie auch schon einmal in einem Kurzfilm gespielt. An diesem Stück gefällt ihr – sie spielt Niku Warda, die Besitzerin einer Imbissbude -

nicht zuletzt, „dass ich schon mehr spielen kann als damals die Fliege, meine Rolle hier ist nicht so riesig, aber doch eben nicht so klein“.

Hauptsächlich aber studiert sie Geodäsie an der Technischen Universität, will aber „reinschnuppern, was es sonst noch alles so gibt“, nicht zuletzt hatte sie bei einem Auslandsjahr in Frankreich einen Vorbereitungskurs für eine Schauspielklasse gemacht.

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Probenszene

Bühnen- und Filmerfahrung

Pilar Borower spielt Rasuls Schwester Jamila. Sie hat schon so manche Schauspielerfahrung – auf der Bühne (u.a. Dschungel Wien in „Die Liebe ist ein Heckenschütze“, über das der Kinder-KURIER schrieb „ein turbulentes Stück Schauspiel mit mitreißender Musik“) und vor der Kamera – in Kurzfilmen. Außerdem bin ich genauso Malerin wie Schauspielerin.

Alex Kapl (Clemens und ein Politiker) hat schon in Wels in der Schule Theater gespielt, in Wien probt er nicht nur für die Kriegerin, er ist im Burgtheater in der Regie des Direktors, Martin Kušej, auch ein Statist in der „Hermannsschlacht“, möchte später auch eine einschlägige Ausbildung machen und bei Schauspielschulen vorsprechen. Zunächst einmal hat er aber mit dem Studium der Theater-, Film- und Medienwissenschaft begonnen. Er spielt auch Klavier, mag Musik, „aber Schauspiel macht mir immer mehr Spaß“.

Benny-Darsteller Merlin Miglinci sagt spontan: „Ich spiel schon seit dem Kindergarten Theater, in der Volksschule hat es mir besonders viel Spaß gemacht. Später war ich dann bei Jugend-Workshops in der Schauspielschule Ott, hab im Volkstheater bei den Physikern und im Burgtheater bei Pünktchen und Anton und bei einem Festival in Avignon gespielt, aber auch schon für (TV-)Filme gedreht. Jetzt mach ich gerade meinen Zivildienst und hab vom Casting für hier zu spät erfahren, erst vor der zweiten Runde, durfte dabei aber einsteigen. Und wurde genommen. Jedenfalls möchte ich in diese Richtung beruflich was machen – oder auch mit Musik, das ist ein großes Thema für mich, ich spiel Klavier.“

Auch der 20-jährige Nikolaus Pfleger (Markus) hat schon mit 13 Schultheater gespielt, aber nicht nur dort, sondern auch in der Josefstadt und bei der Abschlussaufführung eines Theater-.der-Jugend-Workshops im Theater im Zentrum und bei der „Jungen Burg“ vor drei Jahren, im Dschungel-Wien bei „Frühlingserwachen“, bei Kurzfilmen und nicht zuletzt im bei den Wiener Festwochen in einem Stück von Romeo Castellucci und im Burgtheater ist er derzeit auch als Komparse in der Hermannsschlacht. Bei letzterer haben ihm vor allem die proben gefallen, „weil Martin Kušej, der dort Regie gemacht hat und ja auch Direktor vom Burgtheater ist, sogar mit uns Komparsen auf Augenhöhe geprobt hat“.

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Probenszene

Leidenschaft soll Beruf werden

Alice Prosser (spielt die Svenja) ist seit rund acht Jahren schauspielerisch aktiv – schon unter der Regie von Claus Peymann (der einst auch Direktor des Burgtheaters war) spielte sie im Akademietheater, aber auch auf ganz kleinen Bühnen (Theater Olé) in einem Jugendstück „ich hab’s satt“ (im Rahmen des Projekts „Macht Schule Theater“), in (ORF-)Filmen, u.a. „Tatort“. Je länger sie da und dort spielte, umso mehr reifte der Wunsch, Schauspiel auch zu ihrem Wunschberuf zu machen. Deswegen entschied sie sich, die Oberstufe im polyästhetischen Zweig des Hegelgassen-Gymnasiums zu machen. „Aber ich freu mich, wenn die Schule vorbei ist und ich mich nur mehr darauf konzentrieren kann. Es ist ein riesengroßes Glück, wenn du dein Hobby, deine Leidenschaft zu deinem Beruf machen kannst.“

Der Theater-, Film- und Medienwissenschafts-Student Selim Höpler spielt den für die Stückfassung aus mehreren verschiedenen Figuren des Films zusammengesetzten Lupo. „Ein bisschen hab ich schon für Filmdrehs gespielt, es macht viel Spaß und so hab ich nun auch Theater probiert. Das ist für mich komplett neu, aber sehr gut. Schon bei den Casting-Workshops konnte ich viel lernen und erst recht bei den Proben, vor allem Schauspieltechniken.

Rasul, der junge Flüchtling wird vor allem von Paul Winkler gespielt. (Bei manchen Vorstellungen schlüpft Orlando Lenzen in diese Rolle.) Er kam mit 12 Jahren in seinem niederösterreichischen Heimatort Perchtoldsdorf (am Rande von Wien) in Kontakt mit Schauspiel, besuchte aber ein Sportgymnasium. Bühne faszinierte ihn aber so, dass er in der Oberstufe in das schon zuvor erwähnte Gymnasium in der Wiener Hegelgasse mit künstlerischem Schwerpunkt wechselte. Zusätzlich machte er eine Tanzausbildung und ist generell an Kunst sehr interessiert. Einmal bei Theater und/oder Film als Schauspieler zu arbeiten nennt er als berufliches Ziel. Der 19-jährige will daher bei Schauspielschulen vorsprechen.

„Voll zufrieden“ zeigt er sich mit dem Probenprozess. „Es ist spannend einen Flüchtling zu spielen. Sicher kannst du das nicht nachempfinden, wenn du’s nicht wirklich erlebt hast, aber ich hab in der Vorbereitung auf die Rolle sehr viel gelesen, um ein bisschen ein Gefühl dafür zu kriegen.“

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 Proben-Szene

Expertise reinholen

Um solche Gefühle – und so manche andere -, die das junge Ensemble (vielleicht) nicht kennt, „holen wir uns im Probenprozess viel Expertise von außerhalb“, sagt Anja Sczilinski zum Kinder-KURIER und nennt dabei Gespräche mit Geflüchteten ebenso wie mit Aussteiger_innen aus der rechtsextremen Szene, aber auch zum Beispiel mit Leuten, in deren Haushalt viele Menschen unterschiedlichster Kulturen ein- und ausgehen.

Sie führt nicht nur Regie bei diesem Stück, sondern leitet auch das Burgtheater-Studio. Wie sie zuvor schon in München acht Jahre das Junge Residenztheater führte als der jetzige Burgtheaterdirektor Kušej dieses Theater in der Bayern-Metropole leitete.

„Das Burgtheater gibt ja auch Wien/Europa als Sitz an und so wollen wir uns europäischen Themen widmen, auch für ein junges Publikum. Gefahren durch Rechtsdruck, Beeinflussung durch Wutz das wollen wir mit „Kriegerin“ aufnehmen“, beginnt sie im Interview. „Mit dem Stück wollen wir der Frage nachgehen, wie junge Menschen da reinrutschen können, Vorurteilen aufsitzen. Aber in der Figur der Marisa auch wiederum durch persönliche Erfahrungen diese in Frage stellen können.“

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Trailer und Episoden aus dem Film "Kriegerin"

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Gruppenfoto

Kriegerin
nach dem Film von David Wnendt
Für die Bühne bearbeitet von Tina Müller

Ab 14 / eingeschränkter Verkauf

Regie: Anja Sczilinski

Marisa: Hanna Mannsberger
Svenja: Alice Prosser, Charlotte (Charly) Zorell
Melanie: Viktoria Azer, Kerstin Pichler
Sandro: Johannes Ayrle
Markus: Nikolaus Pfleger
Benny: Merlin Miglinci, Orlando Lenzen
Clemens, Politiker: Alex Kapl
Rasul, junger Geflüchteter: Paul Winkler, Orlando Lenzen
Jamila, Rasuls Schwester, junge Geflüchtete: Pilar Borower, Kerstin Pichler
Jana, Kunde II: Charlotte (Charly) Zorell, Kerstin Pichler
Lupo: Selim Höpler
Niku/ Warda, Besitzerin der Imbissbude: Flora Egbonu
Oliver, Svenjas Vater: Wolfram Rupperti
Detlef, Markus‘ Vater: Wolfram Rupperti
Andrea, Hausfrau, Svenjas Mutter: Dunja Sowinetz
Bea, Verkäuferin, Marisas Mutter: Dunja Sowinetz
Frau Kachel, Asylheimleiterin: Dunja Sowinetz

Dramaturgie: Claudia Kaufmann-Freßner
Choreographie: Daniela Mühlbauer

Bühnenbild: Anneliese Neudecker
Kostüme: Lili Wanner
Musik: Kilian Unger

Wann & wo?
28. und 31. Jänner 2020
Burgtheater, Vestibül: 1010: Universitätsring 2, Eingang Ringstraße Landtmannseite
Telefon: (01) 514 44-0
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