Frau oder Mann – spielt das die zentrale Rolle?

Szenenfoto aus "Was ihr wollt" von Divercity-Lab im Dschungel Wien
Shakespeares „Was ihr wollt“ in energiegeladener, heutiger Version junger Schauspiel-Schüler_innen mit Witz mit Tiefgang.

Frauen spielen Männer und umgekehrt. Mit verwirrenden Folgen für Verliebtheiten, Begehren und Enttäuschungen. Das gepaart mit Intrigen und vor allem viel Humor ist das (vordergründige) Erfolgsrezept der Komödie „Was ihr wollt“ von William Shakespeare. Für diese schöpfte DER Theaterautor vor rund 400 Jahren aber schon aus anderen zuvor geschriebenen britischen, aber auch italienischen Komödien.

Die Grundstory

Ohne detailliert auf Verwicklungen und Verzweigungen einzugehen sei hier – für alle jene, die das Stück nicht kennen – kürzest die zentrale Geschichte skizziert. Das Zwillingspaar Viola und Sebastian wird bei einem Schiffbruch vor der Küste Illyriens (ungefähr heutiges Kroatien) getrennt. Viola wird an die Küste gespült, glaubt ihr Bruder sei gestorben. Sie verkleidet sich als Mann, nennt sich Cesario, tritt in die Dienste des Herzogs Orsini ein. Sie verliebt sich in ihn. Er schickt sie als Boten zur Gräfin Olivia, die er verehrt und begehrt. Diese verliebt sich in „Cesario“...
So „nebenbei“ spielen – wie in manche anderen Shakespeare-Stücken „Nebenfiguren“ eine wichtige Rolle, die oft das Hauptthema zuspitzen. Hier sind's einerseits der „Narr“ Feste sowie die „Trunkenbolde“ Andrew und Toby. Natürlich taucht am Ende der vermeintlich ertrunkene Sebastian auf, wird für Cesario/Viola gehalten... und doch Ende gut, (fast) alles gut.

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Szenenfoto aus "Was ihr wollt"

Neu, frisch, witzig und doch tiefgehend

In einer neuen, jungen, frischen Version ist „Was ihr wollt“ nun im Dschungel Wien zu erleben. In Koproduktion mit der vielleicht innovativsten Schauspielausbildung Wiens, dem diverCITYLab, sprüht die rund eineinhalbstündige Aufführung vor Witz und Energie. Mit wenigen Kunstgriffen spielt sie im hier und jetzt – Smartphone, Selfies, Textnachrichten, gefaktes Tinder-Profil – alles natürlich mit dem immanenten Hang, sich selbst entsprechend zu inszenieren bzw. zu posen. Was aber grundsätzlich ohnehin in der Komödie angelegt ist.

Gespielt wird übrigens auf und rund um eine im Kreis fahrbare Baustellen-Bühnen-Konstruktion, die einmal Schloss, einmal Schiff und dann zu all jener Szenerie wird, die gerade gebraucht wird. Übrigens wurde die im Dschungel Wien aus lauter Recyclingmaterial gebaut. Viele Kostüme betonen überzeichnet witzig Geschlechtsstereotype der jeweiligen Rollen.

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Szenenfoto aus "Was ihr wollt"

Grandioses, mitreißendes Ensemble

Die jungen Schauspiel-Schüler_innen, die erst die Hälfte ihrer vierjährigen Ausbildung hinter sich haben, überzeugen in ihren Rollen, in ihrem Spiel, in ihrem Humor, ja selbst dort wo einige singen auch damit. Und auch, wenn immer wieder gekonnt der Einsatz von Smartphones und sozialen Netzwerken gespielt wird, bleibt ihr Spiel – aus der grandiosen Ensemble-Leistung soll keine/r hervorgehoben werden (Infos, wer wen spielte unten im Infoblock) – und die Inszenierung (auch das siehe unten) nie an einem oberflächlichen Witz hängen. Wie in den äußerst witzigen Stücken des italienischen Duos Franka Rame und Dario Fo (u. a. „Bezahlt wird nicht!“) die Gesellschaftskritik in Herzen und Hirne des Publikums purzelt, so pflanzt dieses Ensemble den Keim des Spiels mit und um Geschlechterrollen und –Klischees, fallweise samt interkultureller Sprachfärbungen in Bauch und Kopf der Zuschauer_innen.

Wie lange dauert’s noch?

Allerdings auch mit dem erschreckenden Aha-Erlebnis: Das war schon vor mehr als 400 Jahren ein Thema – das hintergründige unter der Oberfläche der Verwicklungskomödie! Wieviel Jahrhunderte braucht's noch bis „nur“ noch der Mensch zählt und nicht das Geschlecht?

Übrigens: Zu Shakespeares Zeit durften Frauen nicht auf der Bühne auftreten. Weibliche Rollen mussten von Männern, meist Knaben gespielt werden – also in „Was ihr wollt“ immer wieder Burschen, die Frauen spielen, die in Männerrollen schlüpfen...

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Szenenfoto aus "Was ihr wollt"

Was ihr wollt
Dschungel Wien & diverCITYLAB
Schauspiel, ca. 1 ½ Stunden, ab 13 J.

Autor: William Shakespeare
Übersetzung: Thomas Brasch
Regie: Corinne Eckenstein

Viola/Cesario: Mirkan Öncel
Orsino, Herzog von Illyrien bzw. Kapitän Antonio: Asin Alev
Curio, Edler am Herzogshof bzw. Fabian, Edler am Hof der Gräfin und Priester: Vahidenur Caf
Sebastian, Violas Zwillingsbruder bzw. ein Kapitän: Akrm Shir
Olivia, eine Gräfin: Tanja Josić
Maria, eine Dienerin Olivias: Ruchi Bajaj
Toby, Verwandter Olivias: Charlotte Zorell
Andrew, Tobys (Sauf-)Kumpan: Johanna Moro
Feste, Olivias Hofnarr: Dali Nikolić
Malvolio, weiterer Verwandter Olivias: Bekim Morina

Bühne: Hannes Röbisch
Kostüm: Devi Saha
Musik: Uwe Arthur Felchle
Dramaturgie: Anna Schober
Regieassistenz: Kyra Lisa Peters
Ausstattungsassistenz: Lena Mader
Aufführungsrechte: Suhrkamp Verlag, Berlin

Wann & wo?
Bis 24. September, 10. bis 13. Dezember 2019, 10. bis 13. März 2020
Dschungel Wien: 1070, MuseumsQuartier
Telefon: (01) 522 07 20-20
www.dschungelwien.at

http://www.divercitylab.at

Frau oder Mann – spielt das die zentrale Rolle?

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