Differenziertes Spiel über Weiß und Schwarz

Das Bühnenduo und drei Straußeneier
„Der Anti-Storch“, Stück über den fast ausgestorbenen Waldrapp, Schönheitsideale und Aberglauben, im Theater Drachengasse.

Eine Vielzahl hängender und stehender Mikrofone mit auffallenden roten Kabeln - ein optisches Zusammenspiel von schwarz und rot. Das ist der erste Eindruck der Bühne beim Stück „Der Anti-Storch“ (noch bis 27. Februar 2019 im Wiener Theater Drachengasse). Die Farbkombination setzt sich in den Kostümen der später auftauchenden beiden Schauspieler_innen - Gesa Bering und Stephan Dorn – fort.

Die Farben nehmen Bezug auf die Figur, um die sich die folgende Stunde dreht, den Waldrapp. Dieser schwarze Vogel mit langem, gebogenem, roten Schnabel und – schon ab der Pubertät - wenig Haaren auf dem Kopf ist fast ausgestorben. Nicht zuletzt, weil er aufgrund seines schmackhaften Fleisches massenhaft gejagt wurde. (Über Wiederaufzucht- und –Ansiedlungsprogramme siehe weiter unten.)

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Zufall stand am Beginn

Stephan Dorn hat, wie er dem Kinder-KURIER nach einer Aufführung erzählt, eines Tages bei einem Besuch im Berliner Tiergarten diese Vögel zum allerersten Mal in seinem Leben gesehen – und dazu gleich das Schild mit der Info über die fast ausgestorbene Art. Das war der Ausgangspunkt für die Beschäftigung des Theaterduos mit diesem Vogel. Während der schöne, weiße Storch allgemein als Glücksbringer gilt, werden dem Waldrapp – wie anderen schwarzen Vögeln – negative Vorzeichen angedichtet – bis hin dazu, todbringendes Symbol zu sein. Aber nicht nur weiß und schwarz fanden die beiden als Gegensätze, sondern auch hübsch und hässlich. Ausgehend davon entwickelten das Duo ein Kurzstück dazu für den Nachwuchsbewerb des Theaters Drachengasse, der im Vorjahr das Thema „Narziss, du Opfer!“ hatte. Die Jury befand, dies sei das Beste der Kurzstücke dazu gewesen. Der Preis ist jeweils die Förderung, um daraus ein abendfüllendes Stück zu erarbeiten.

Ist der Vogel vielleicht selber schuld, weil er so schiach war/ist? Wer darf befinden, was hässlich und was schön ist? Hätte den Waldrapp überhaupt wer vermisst, wäre er zur Gänze ausgestorben? Humorvoll spielt das Duo mit nur wenigen Requisiten wie u. a. einem Nest mit drei großen (Straußen-)Eiern vor allem mit Sprach und Wortwitz, mitunter Schachtelsätzen und Phrasen, die an Politik-Sprech erinnern, Aussagen relativieren. Anspielungen und Gedankenanstöße in Richtung Umgang der Menschen miteinander werden höchstens angetippt, spinnen sich aber in den Köpfen des Publikums fort.

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Waldrapp-Überleben

Aufwendig versuchen einige Tiergärten seit Jahren diese Vogelart aufzuziehen, um anschließend sie in freier Natur auszuwildern. Der Waldrapp hat mit Wald eigentlich nichts zu tun, nistet in Felsspalten und ernährt sich vorwiegend von Würmern, die er mit dem Schnabel aus Wiesenböden aufpickt, in die Luft wirft, um sie dann aufzufangen und zu verschlingen. Da es sich beim (Wald)Rapp um einen Zugvogel handelt, aber keiner der Vögel weiß, wohin, gibt es Projekte in denen Waldrappe mit Hilfe von Mini-Leichtflugzeugen und Gleitschirmen über die Alpen gelotst werden.

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Vogel-Trilogie

Das Performancekollektiv Dorn ° Bering hat, angesteckt von der Beschäftigung mit den Waldrappen noch zu anderen Vögeln recherchiert und, wie die beiden im KiKu-Interview schildern. Ein Stück über den Riesenalk haben sie schon gespielt. Die letzten Exemplare dieses flugunfähigen Schwimmvogels, der in seinem Aussehen an Pinguine erinnert, aber auf der Nordhalbkugel lebte, wurden vor 175 Jahren ausgerottet. Überliefert ist, dass 1844 zwei brütende Riesenalke auf Island, dem letzten Zufluchtsort dieser Vögel erwürgt und die Eier zertreten wurden.

„Und unser nächsten Stück machen wir über eine Vogelplage, die Nilgans. Ihr angestammter Lebensraum sind subtropische Seen und Flüsse, etliche Exemplare wurden aber – schon seit dem 18. Jahrhundert - als Ziervögel in Europa angesiedelt. Beginnend in den Niederlanden entkamen vor rund 50 Jahren einige Exemplare, vermehrten sich sozusagen in freier Wildbahn, verbreiten sich vor allem entlang des Rheins in Deutschland, mittlerweile bis in die Schweiz. Sie werden zur Plage und werden in einigen Städten wie Frankfurt schon gejagt, weil sie auch Krankheiten verbreiten.

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Infos: Was? Wer? Wann? Wo?

Der Anti-Storch
Ein theatrales Essay über Aberglaube, Appetit und gute Absichten
Jury- und Publikumspreis des Nachwuchswettbewerbs 2018
Performancekollektiv Dorn ° Bering
Eine Koproduktion mit Theater Drachengasse, Bar&Co

Konzept, Text, Regie, Spiel: Gesa Bering, Stephan Dorn
Dramaturgie: Florian Ronc
Ausstattung: Kathi Sendfeld

Wann & wo?
Bis 27. Februar 2019
Theater Drachengasse, Bar&Co: 1010, Drachengasse 2
Telefon: (01) 513 14 44
eMail: karten@drachengasse.at
www.drachengasse.at/karten.asp


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