Dieser körperliche Einsatz geht unter die Haut

Eine junge Geigerin tritt mit zwei schlammbedeckten Männern auf einer Bühne auf.
makemakeproduktionen machen in „Das große Heft“ Brutalität am „Rande des Krieges“ mit vielen Sinnen spürbar.

Zwei Kinder, eigentlich schon im Übergang zu Jugendlichen – im Originalbuch zwei Buben, in dieser Theaterversion zwei Mädchen – werden in einem Krieg aufs Land gebracht. Hier fallen weniger Bomben und es gibt Nahrungsmittel. Aber eine sie und offenbar alle hassende, verhärmte Großmutter. Schläge mit ihren knochigen Händen sind ebenso an der Tagesordnung wie harte (Kinder-)Arbeit.

Um selbst keinen Schmerz mehr empfinden zu müssen, beginnen die beiden Jugendlichen einander durch gegenseitige Schläge abhärten zu wollen. Die körperlichen Abhärtungsversuche ergänzen sie durch psychische – ärgste andauernde wechselseitige Beschimpfungen. Auch die Erinnerungen an (früh-)kindliche liebevolle Worte wollen sie auslöschen. Und sich durch freiwilliges totales Fasten ans Hungern gewöhnen … Die Grausamkeiten von Krieg und seinen Auswirkungen bis ins letzte Gefühl werden von Ágota Kristóf vielleicht in diesen Passagen noch viel plastischer als n den reinen von außen zugefügten Gewaltszenen.

 

Eine Sängerin tritt vor buntem Laserlicht auf, während zwei Personen zusehen.

Und in der Bühnenversion im Kosmos Theater von makemake produktionen (Regie Sara Ostertag) fürs Publikum praktisch mit allen Sinnen erfahrbar gemacht. Die Darstellerinnen und Darsteller spielen mit ärgstem körperlichen Einsatz. Martina Rösler gibt die eine Zwillingsschwester gehör- und sprachlos ärgstens, wild tanzend, Jeanne Werner die „zweite“ Hälfte „fast“ blind mit verklebten Augen als Textmaschine.

Es fängt aber schon beim Vergrabensein in der mit 15 Tonnen vollgeschütteten sandigen Erde zu Beginn an, aus der sie sich der Reihe nach rausbuddeln oder freigelegt werden bis hin zur die meiste Zeit auf allen vieren wie ein Hund agierenden Michèle Rohrbach – samt Spiel mit einem echten Hund, der einen Kurzauftritt hat.

Eine Frau in einem roten Kleid spielt ein goldenes Instrument auf einer Bühne.

Genial die musikalische, geräuschmäßige Dauerbegleitung, -untermalung, -kommentierung durch die Live-Musikerin Jelena Popržan, in wenigen Szenen ergänzt um das Geigenspiel der 11-jährigen Emma Wiederhold, die vor allem in Tanzstücken schon Bühnenerfahrung hat.

Mehrere mit Farbe bemalte Personen treten auf einer Bühne auf.

Die Verausgabung, hochspringen in den Sand fallen lassen, aus- oder wieder eingegraben zu werden, sich mit fast unzähligen Farbbeuteln zu bewerfen, gepaart auch mit dem Geruch der sandigen Erde, der Musik, den vielen bewusst und passend erzeugten Geräuschen, vermitteln die Brutalität dessen, was Krieg auch „am Rande“ erzeugen kann und tut. Der umfassende und doch in seiner Sprache meist sehr knapp gefasste Text überlagert vielleicht phasenweise das unmittelbar sinnliche Erleben.

Besser wäre es sicher, den Text der ungarischen, 1956 in die französischsprachige Schweiz geflüchteten Autorin, schon vorher gelesen zu haben. Gestehe, ich hab’s erst danach getan.

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Eine Frau mit Körperbemalung singt in ein Mikrofon, während eine andere Person im Hintergrund liegt.

Eine Sängerin tritt vor buntem Laserlicht auf, während zwei Personen zusehen.

Ein Mann mit Körperbemalung in Form eines Skeletts steht auf einer Bühne.

Eine junge Frau hält einen Besen über den Kopf, umgeben von weiteren Personen auf einer Bühne.

Eine Frau in einem roten Kleid spielt ein goldenes Instrument auf einer Bühne.

Mehrere mit Farbe bemalte Personen treten auf einer Bühne auf.

Eine Szene mit drei Figuren, die mit Farbe und Erde bedeckt sind.

Eine Theaterszene mit drei Darstellern vor einer Wand mit Textprojektionen.

Ein Mann mit Mikrofon kniet auf einer Bühne, im Hintergrund weitere Performer.

Eine Frau mit blau bemalten Augen und Mickey-Mouse-Bemalung auf dem Körper streckt eine Hand aus.

Eine junge Geigerin tritt mit zwei schlammbedeckten Männern auf einer Bühne auf.

Eine Person mit Gesichtsbemalung umarmt einen Border Collie.

Ein Mann mit gelber Körperbemalung und Skelett-Motiv singt in ein Mikrofon.

Drei Darsteller mit Körperbemalung auf einer Bühne.

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