Die besten der besten jungen und jüngsten Kurzfilme
Fast fünf Dutzend Filme unterschiedlichster Art, Genres mit verschiedensten Inhalten - alle gemacht von Kindern und Jugendlichen (fallweise mit Unterstützung Erwachsener, aber eher selten) waren bei den nun zu Ende gegangenen 22. Video- udn Filmtagen des wienXtra-Medienzentrums im Cinemagic in der Wiener Urania zu sehen. Zentraler Bestandteil des Festivals des jungen und jüngsten Kurzfilms sind die Gespräche der jungen Filmemacher_innen mit dem Publikum sowie einer sach- udn fachkundigen, engagierten Jury. Wie erst die Juror_innen ihre Arbeit nehmen, zeigt nicht nru das jeweilige Live-Feedback im Kinosaal. Das beweisen jedes Jahr auch di ausgefeilten Begründungen für die Vergabe der Preise - Sachpreise, die die jungen Filmschaffenden weiter bringen.
Hier im Folgenden alle ausgezeichneten Filme samt den Begründungen der Jurys (die am Ende in einem eigenen Abschnitt genannt werden)
EIN TAG AM BADESEE von Alba Rieder Clavijo
Jurybegründung: Eine bunte Welt mit Atmosphäre
Der Animationsfilm „Ein Tag am Badesee“ von Alba Rieder Clavijo zeigt eine eigenständige und mutige künstlerische Handschrift. Alba, die mit ihren zehn Jahren, alle Arbeitsprozesse alleine ausführt, schafft es in knapp zweieinhalb Minuten eine ganze Welt zu entwerfen und mit Atmosphäre zu füllen. Das Drehbuch schreibt Alba im Kopf und setzt es dann samt einfallsreicher Spezialeffekte um. Dazu gehört auch das Einsprechen sämtlicher Stimmen der Filmfiguren, denen sie glaubhaft ihre unterschiedlichen Charaktere einhaucht. Die kurze Erzählung von einem Badeausflug mit Sonnencreme, Luftmatratze und Spielen im Wasser verdichtet sie gekonnt, so dass man meint förmlich die Sonne auf der Haut zu spüren.
DAS STUMME LEIDEN von Daphne Fürlinger
Jurybegründung: Eine kraftvolle Gefühlswelt
Es ist ein mutiger Film, der Gefühle stimmig in Bildern zum Ausdruck bringt und es schafft starke Emotionen zu transportieren. Wir erhalten einen Blick ins Innere einer Gefühlswelt, die schöner und kraftvoller nicht gezeichnet sein könnte. Das Zusammenspiel von Zeichnungen und Analogfilm-Aufnahmen, die Animation und das Sounddesign sind perfekt aufeinander abgestimmt. Die junge Filmemacherin überzeugt die Jury mit einer authentischen, künstlerischen Arbeit und lässt schon jetzt eine ganz eigene Handschrift erkennen.
(7) DAYS IN LOVE von Brandon Viardo
Jurybegründung: „...und jedem Anfang wohnt ein Zauber inne...“
und wir dürfen daran teilhaben.
Der Schauplatz ist
Wien. Zwei Menschen begegnen einander zufällig in einem Park, werden aufeinander aufmerksam. Der gemeinsame Weg führt von Elvis Presleys „Can’t Help Falling In Love“ zu Slow Clubs „There Is No Good Way To Say I'm Leaving You“. Brandon Viardos Film hat uns mit seiner charmanten, selbstironischen Zugangsweise zur Magie des Verliebens euphorisiert. Der Regisseur vertraut seinen Protagonist_innen, die sich beim Improvisieren der Dialoge ebenso langsam vortasten wie beim Kennenlernen. Alle Widersprüchlichkeiten, alle Unsicherheiten der Charaktere fügen sich zu einer lebendigen Begegnung. Der Film hat Struktur und Rhythmus; er atmet und pulsiert. Und er ist vergnüglich.
GROW von Ronja Roschger, Xaver Quintus, Vivian Stage
Jurybegründung: Richtige Entscheidungen
Dieser Kurzfilm erzählt die Geschichte eines Entschlusses und damit zugleich die Einsamkeit einer persönlichen Entscheidung, die jede und jeder für sich selbst zu treffen hat. Wir sehen eine Hauptfigur, in die Enge getrieben von den Versuchen äußerer Beeinflussung, die mit sich uneins ist und nicht weiß, wie es weitergehen soll. Wir sind beeindruckt von der Umsetzung widersprüchlicher Gefühle in derart visuell treffenden Bildern und der geglückten Darstellung innerer Konflikte. Die Filmemacher_innen haben sich dabei auf ausdrucksvolles Spiel und Bildsprache verlassen und auf Dialog verzichtet und damit, unserer Meinung nach, die richtige Entscheidung getroffen. Den Film zeichnet auch der sehr durchdachte Umgang mit Symbolen aus. Form und Inhalt gehen Hand in Hand. Hervorheben möchten wir auch die einfallsreiche Kadrierung einzelner Szenen beispielsweise die Füße beim Zähneputzen, sowie die Übergänge zwischen Realität und gedanklicher Welt etwa beim Auftragen des Lippenstifts.
STEP BY STEP von Adam Baroud
Jurybegründung: Eine schöne Geschichte über das Teilen.
Ein Film, der von einem Anliegen getragen ist. Ein Dorf unweit von Kairo. Yousef, ein kleiner Junge hat neue coole Schuhe. Sie sind sein Besitz sein Alles. Er hütet sie sorgsam, dennoch werden sie gestohlen. Schließlich findet Yousef den Dieb. Was mit Misstrauen und Rivalität beginnt, entwickelt sich zu gegenseitigem Verständnis und Gemeinsamkeit. Der Film ist eine schöne Geschichte über das Teilen. Mit atmosphärischen Bildern gelingt es dem Filmemacher ein großes Thema in einen kurzen Film zu verpacken. Eine klare Erzählung, in der das Wesentliche sichtbar wird: Respekt, Vertrauen, gegenseitiges Verständnis, Empathie und Gemeinsamkeit. Dies symbolisiert sich in einer sehr schön gefilmten, dynamischen Szene in der die beiden Jungen zusammen Fußball spielen und jeder einen der coolen Schuhe trägt.
LEBENDIGKEIT von Anita Hammer
Jurybegründung: Kunst als Konfrontation.
„Lebendigkeit“ von
Anita Hammer ist eine existenzielle Befragung des Selbst von der ersten Sekunde des Videos bis zum liebevoll gestalteten Abspann. Mehrere Elemente wie Zeichnung, Schrift, Ton, Sprache und Bilder werden zu einer komplexen Collage zusammengeführt, die das innere Ringen der Filmemacherin in eindringlicher Form vermitteln. Das Sujet des fließenden Wassers hält die Befragung des Selbst im Fluss, klare Antworten entrinnen ständig. Besonders hervorzuheben ist die konsequente Eigenständigkeit der jungen Filmemacherin in der visuellen Gestaltung.
(JUGEND) LEBEN von Lea Rössle
Jurybegründung: „(Jugend) Leben“ hat durch seine freche Machart überzeugt.
Der Mut zum Chaos, der Schnitt und der spielerische Umgang mit Kamera und Musik zeugen von einer eigenen Handschrift, die Leidenschaft und Liebe zum Filmemachen beweist. Die Bereitschaft das Drehbuch am Set anzupassen spricht für die kreative Arbeitsweise der Regisseurin. Sie erzählt von sich und ihrer Welt und zeigt dabei vielschichtige Rollenbilder; speziell bei den weiblichen Charakteren. Die Jury war darüber hinaus beeindruckt von der punkigen Herangehensweise, dem Ignorieren von Konventionen und dem Einsatz der Musik, die den Spaß am Spiel und dem Medium an sich verdeutlichen. Dass der Film in einem Loop endet macht ihn zu mehr, als nur einem Sittenbild der heutigen Jugend.
UND DAS UHRWERK DREHT SICH WEITER von Elias Märk und Nikolai Liskutin
Jurybegründung: Keep on running im Hamsterrad
Was uns an diesem Kurzfilm begeistert hat, ist, dass eine Idee verdichtet und dann geradlinig umgesetzt wurde. Der Film zeugt von einem sehr professionellen und kreativem Ineinandergreifen aller Departments: Regie, Kamera, Schauspiel, Schnitt, Musik, Ausstattung. Der körperliche Zerfall der Hauptfigur und damit ihr Austritt aus dem funktionellen Muster wurde eindrucksvoll geschildert, von der Hauptdarstellerin, der Kameraarbeit, dem Schnitt, den Effekten. Der kritische Geist der Filmemacher findet sich in jedem Aspekt und auf jeder Ebene des Films. Das Gefühl der Isolation, der Überforderung, des Gefangenseins in Routine und das Fehlen jeglicher Freiheit werden mit gut gewähltem Understatement präsentiert. Der Film kommt ohne Dialog aus – eine weitere Ebene, die die Grundideen des Films widerspiegelt, da es in der erzählten Welt keine Kommunikation (mehr) gibt. Wir sind auch von der Eigenständigkeit des Projekts begeistert, die von der Bildsprache und den Effekten bis hin zu eigens kreierten Postern und komponierter Musik reicht.
Und nun die ausgezeichneten Filme der Nightline:
DER UNFERTIGE MANN von Bagher Ahmadi und Konrad Milan
Jurybegründung: Alltag in einer Flüchtlingsunterkunft
Eine Gruppe von Bewohnern hat sichtlich großen Spaß daran, den Außenseiter zu hänseln, zu mobben und zu quälen. In ihren Augen ist der völlig verängstigte Mann „unfertig“. Im wahrsten Sinn des Wortes lässt sich der unfertige Mann vom Druck der Gruppe „fertig“-machen. Er beugt sich schließlich dem ausgeübten Zwang und lässt sich beschneiden. Symbolhaft lässt er einen Teil seiner Selbst zurück, um anderswo dazuzugehören. Eine Diskriminierung können Flüchtlinge doppelt erfahren: Nicht nur von „Außen“ von der Gesellschaft im Allgemeinen, sondern auch untereinander im Zusammenleben. Bagher Ahmadis Regiearbeit „Der unfertige Mann“, in welcher er auch den Part des Außenseiters spielt, überzeugt mit einem klaren filmischen Erzählwillen, einer überraschenden, fast tragikomischen narrativen Wendung und einem Ende, das mehr Fragen aufwirft, als einfache Antworten bietet.
KUNST UND ÜBERLEBEN von Zoe Borzi, Jonathan Steininger, Nikolaus Heckel, Nicolas Glockner-Lösch, Raphael Wohlgemuth und Johannes Fischer
Jurybegründung: Es gibt keinen Plan B.
Wer hat den Mut, sich den Spielregeln unserer Gesellschaft zu verweigern? Unser System lässt nicht viel Spielraum, "anders" zu sein. Wer der eigenen Intuition und der eigenen Kreativität folgen möchte und die Kunst zum Lebensinhalt macht, braucht Kraft und diesen Mut. Wir erleben vier starke Protagonist_innen, die ihren eigenen Weg eingeschlagen haben und mit ihrer Leidenschaft für das, was sie tun, das Publikum in ihren Bann ziehen. Sie versuchen ihr eigenes kreatives Schaffen mit den Anforderungen des Alltags unter einen Hut zu bekommen. Ein Thema, das alle beschäftigt, die im künstlerischen Bereich tätig sind oder sein wollen. Die Filmemacherin mit ihrem Team folgt diesen vier außergewöhnlichen Menschen mit großer Sensibilität, sie gibt ihnen Raum und Zeit sich zu öffnen und vertraut auf die Stärke ihrer Figuren. Wenn Menschen vor der Kamera Wahrhaftigkeit ausstrahlen, so haben die Filmemacher_innen etwas richtig gemacht. Am Ende des Films finden diese unterschiedlichen Persönlichkeiten in einer gelungenen Montage zueinander und werden zu einer gemeinsamen starken Stimme für die Kunst.
IGNORANZ von Denis Kurtanović
Jurybegründung:
Wir wollen einen Film auszeichnen, der viel will, der aus dem Rahmen fällt, auf seine Gemachtheit hinweist und Dramatik nicht scheut. „Ignoranz" von Denis Kurtanović hat uns überrascht. Hier ist ein junger Filmemacher am Werk, der die Zeit in der er lebt in seine Arbeit mit einfließen lässt. Versatzstücke aus der Popkultur und Filmgeschichte werden, bewusst oder unbewusst, jedenfalls leichterhand montiert. Diese eigenwillige Filmsprache besticht. Nicht zuletzt durch jugendlichen Pathos, der sich selbst nicht ganz ernst nehmen kann und so zu Humor wird.
OASCHLOCH von David Weinand
Jurybegründung: UNAUSGESPROCHEN LIEBEVOLL
Durch zärtliche Zwischentöne trifft dieser Film mitten ins Herz und verwehrt sich zugleich jeglicher Sentimentalität. In einer von Trauer zerrissenen Familie wird jene Liebe sichtbar, für die die Figuren keine Worte haben. Drehbuch, Inszenierung und Schauspiel verwandeln unsagbar Menschliches in präzises Kino. Für die berührende und zugleich witzige Aufbereitung eines dunklen Themas, den sinnlichen Einsatz eines umschlingenden Streitobjekts, die gekonnt geworfenen Speere auf möglichen Kitsch und die Leistung in knapp 10 Minuten ein krisengeschütteltes Familienporträt auf feinste Weise darzustellen, verleiht die Jury einen Preis an OASCHLOCH.
Stille Nähe von Anselm Eitelbös
Jurybegründung: Ein Mann spricht zu einer Frau. Nicht mit einer Frau, sondern zu einer Frau.
Sie ist seine Lebensgefährtin, seine Partnerin. Gemeinsam fahren sie Bahn, raus aus der Stadt. Die Frau schweigt. Der Mann spricht und spricht. Während sie ohne Worte alles sagt, sagen alle seine Worte nichts. Als sie sich nicht mehr zu helfen weiß, küsst sie ihn - der einzige Weg, ihn zum Schweigen zu bringen. Der 19-jährige Anselm Eitelbös konfrontiert uns in seiner kompakten Komödie mit unseren eigenen Unzulänglichkeiten. Er spielt mit Rollenbildern und Erwartungen und nimmt sich dabei selbst nicht heraus. Ein fast schon elegisch anmutender Kurzfilm, der auf Überbelichtungen und perfekten Ton pfeift. Der Abspann dauert eine Minute, ein Fünftel der Filmlänge. Der Filmemacher steht auf Mathematik, erzählt er beim Publikumsgespräch, und das überträgt sich in die Montage. Mehr soll hierzu nicht verraten werden. Doch eines ist klar: Wir wollen mehr davon!
HALT DIE KLAPPE von Naima Schmidt
Jurybegründung: Ein selbstbewusstes Mädchen dessen Sprache zu hoch für die Männer ist.
Drei Männer in deren Büroalltag Sexismus eine ganz selbstverständliche Rolle spielt. Die abwesende Sekretärin, deren Qualitäten verächtlich auf den schlechten Kaffee reduziert werden. Das sind die Ingredienzien für
Naima Schmidts Kurzfilm „Halt die Klappe“. Während den fünfeinhalb Minuten führt uns die Filmemacherin auf verschiedene Fährten, verwischt dabei gekonnt ihre Spuren und lässt uns immer wieder mit der Ahnung zurück „Irgendwas stimmt hier überhaupt nicht“. Mit gut eingesetzten filmischen Mitteln wie Split-Screen, extremen Nahaufnahmen, Pausen in der Inszenierung und Montage gelingt es ihr eine absurde und unbehagliche Stimmung zu erzeugen. Mit einem sehr gut besetzten Ensemble und einem minimalistisch, großartig spielenden Mädchen stolpert man als Zuschauer_in von einem Lacher in die nächste Verwirrung. Bis uns am Ende mit der überraschenden Pointe das Lachen im Hals stecken bleibt. Vor dem inneren Auge spult sich der Film dann ein zweites Mal ab und plötzlich verwandeln sich die verwirrenden Momente zu beschämenden Erkenntnissen über unsere heutige Gesellschaft.
DAS FEST FÜRS LEBEN für Tobias Langer
Jurybegründung: Festivalhopping im Weinviertel.
Ein bisschen länger noch möchte Sophie Sarah ins Gespräch verwickeln, jede Sekunde auskosten, bis der Shuttlebus kommt, der sie spätnachts am Straßenrand irgendwo in der Pampa aufsammeln wird. Da ist auch der anhaltende Sommerregen egal. Unter anspruchsvollen Drehbedingungen haben sich die beiden jungen Schauspielerinnen mit dem Regisseur nicht nur in der Schlüsselszene des Films ohne streng gescriptetes Drehbuch auf ein gewagtes Improvisationsexperiment eingelassen. Der Film besticht als Momentaufnahme einer Begegnung, die eine Liebesgeschichte werden könnte, und eröffnet authentische Einblicke in eine Jugendszene. Auch wenn es technisch noch viel zu feilen gäbe, zeichnet sich die Regie durch besonderen Mut aus, gestalterische und dramaturgische Risiken einzugehen und die Erzählung über Zeitsprünge und Rückblenden zu entwickeln.
Jurys der Primetime
Michael Bilić (ehem. Leiter Filmkulturzentrum „Das Kino“ Salzburg), Petra Ladinigg (Cutterin, Drehbuchautorin), Philipp Fleischmann (Leiter Schule Friedl Kubelka für unabhängigen Film), Nike Glaser Wieninger (Kuratorin)
Alexandra Valent (Kuratorin), Reinhard Astleithner (Filmschaffender), Nora Friedel (Filmemacherin), Marco Antoniazzi (Filmemacher)
Jurys der Nightline
Jessica Lind (Drehbuchautorin, Filmemacherin), Arman T. Riahi (Filmemacher), Krisztina Kerekes (Kamerafrau), Fridolin Schönwiese (Filmemacher)
Phillipp Mosser (Sounddesigner für Kino und TV), Bernadette Weigel (Filmemacherin, Dramaturgin), Rafael Haider (Filmemacher, Drehbuchautor), Lisa Mai (Festivalleiterin dotdotdot)
Publikumspreis
Die meisten Stimmen beim Online-Voting des Publikums bekam der 8-minütige Spielfilm „Papa“ von Marie Wolkenstein (13 Jahre). Nachdem ihr Vater stirbt, fällt es einem Mädchen schwer loszulassen. Als sie einen Ort besucht, der ihr und ihrem Papa viel bedeutet hat, kommen viele Erinnerungen hoch.
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