Bringt viel – auch für die Schule: Theater
Jeden Sonntag betreten sie ihr – ein wenig in the middle of nowhere gelegenes - relativ neues (knapp mehr als zehn Jahre) Schulhaus im niederösterreichischen Korneuburg. Im Musikzimmer „entern“ sie die Bühne, nachdem sie sich davor körperlich und geistig aufgelockert haben.
Sie, das sind eine Lehrerin, vier Schüler_innen (7. bzw. 8. Klasse) und fünf Absolvent_innen. Letzteren hat das Theaterspielen mit Musik- und Deutschlehrerin Stephanie Ruf so viel gegeben und Freude bereitet, dass sie mit ihr gemeinsam beschlossen haben, eine eigene Gruppe zu gründen, die Young Actors Company. Mit dieser haben sie – nach etlichen anderen Stücken davor – zuletzt eine Version von „Simpel“ erarbeitet. Mit diesem Stück gastieren sie in der kommenden Woche für zwei Vorstellungen im Wiener WuK (Werkstätten- und Kulturhaus, 12. und 13. November). Der Kinder-KURIER besuchte sie an einem Proben-Sonntag.
Jugendroman, Film, die Story
Vor 15 Jahren hatte Marie-Aude Murail den Jugendroman Simple im französischen Original veröffentlicht. Bald danach erschien er auf Deutsch und wurde u.a. mit dem deutschen Jugendbuchpreis ausgezeichnet. Vor zwei Jahren war die Geschichte - ebenfalls erfolgreich – auf Deutsch verfilmt.
Die Grundgeschichte: Barnabé Maluri ist 22 aber auf der Entwicklungsstufe eines ca. 3-Jährigen. Nach dem Tod der Mutter bringt der Vater ihn in ein Heim. In dem fühlt er sich mehr als unwohl. Sein Bruder Ben, der knapp vor der Matura steht, nimmt ihn aus dem heim, sie wohnen zuerst bei einer alten Tante. Auch untragbar. Und so sucht Ben eine eigene Wohnmöglichkeit für seinen Bruder und sich. Sie landen in einer WG – wo „Simpel“ (wie Barnabé immer genannt wird und sich selber nennt) so ziemlich einiges durcheinanderbringt. Skepsis, Ablehnung, Offenheit, Abgrenzung, sich auf Neues, Ungewohntes einlassen … darum dreht sich die Story eigentlich.
Auf das Kind in ihm konzentriert
Henrik Rapp, Schüler der 7. Klasse, spielt den Simpel, sicher die größte Herausforderung. „Mir gefällt die Rolle sehr gut, es ist einfach einmal ganz was anderes, jedenfalls ein sehr interessanter Charakter. Wir haben uns darauf konzentriert, dass er vor allem wie ein kleines Kind handelt, denkt und fühlt“, meint er. Und die anderen, nicht zuletzt die Regie führende Lehrerin, stimmen ein. Motorische Ticks oder andere Facetten seiner Behinderung wären eine zu große Gratwanderung gewesen, hätten vielleicht auch Menschen verletzen können, weil es wie lächerlich-machen gewirkt hätte, lassen die jungen Theaterleute durchklingen, weshalb sie sich auf die Kindlichkeit des jungen Mannes fokussieren.
Berufsweg(e)
Isabella Kubićek, die Anna, jene WG-Bewohnerin, die sich als erste unvoreingenommen dem künftigen neuen Bewohner öffnet, „will Schauspielerin und Tänzerin in Musicals werden. Ich hab bei drei Produktionen in der Schule schon mitgemacht. Das hat meinen Berufswunsch verstärkt“, sagt sie in der Gesprächsrunde mit dem KiKu-Reporter.
Felix Nowak, so wie Kubićek schon Absolvent der AHS Korneuburg, spielt Simpels Bruder Colbert, der hier Ben genannt wird. Er agierte schon in fast unzähligen Stücken in und außerhalb der Schule auf Bühnen, studiert aber jetzt Informatik, weil ihn das auch fasziniert. Daneben möchte er aber zu Aufnahmsprüfungen in Schauspielschulen antreten.
Reinarbeiten
In die Rolle des Buhmanns Emmanuel, der am liebsten hätte, wenn Simpel möglichst bald aus der WG verschwindet, schlüpft Nikolaus Burger. „Alle mögen den nicht, das ist nicht angenehm“, so der Darsteller, „aber es ist ein schöner Anspruch, sich in so eine Rolle reinzuarbeiten, auch diese Perspektive zu zeigen“. Die es im echten Leben sicher – und das gar nicht zu wenig – gibt.
Isabella Kozussek, die mit Beatrice und Frau Monschein eher kleinere Rollen übertragen bekommen hat, findet „das nicht so schlimm, auch diese Rollen sind Herausforderungen“.
Das Reinversetzen in andere Rollen, lernen diese auf der Bühne auch zu verkörpern, bringt gerade auch für jene, die nicht schon von kleinst auf sozusagen Drama-Queens und -Kings sind, viel. Auch für den schulischen Alltag: Bewusst sich mit Sprache – aber auch Themen und Rollen, also intensiv mit Inhalten - auseinandersetzen, vor anderen reden und auftreten können, was nicht zuletzt das Selbstvertrauen und -bewusstsein stärkt…
Oft im Unterricht einbauen
Stephanie Ruf, die in der Korneuburger AHS Musik und Deutsch unterrichtet, hat, wie sie dem KiKu erzählt, „schon als Jugendliche in der Schule Theater gespielt und Filme gedreht. Während der Ausbildung zur AHS-Lehrerin hab ich ständig irgendwelche Kurse und Ausbildungen in dieser Richtung besucht, selber auch Improvisationstheater oder in kleineren Produktionen gespielt.“
Weil es in der Schule ohnehin Darstellendes Spiel als unverbindliche Übung gibt, hat sie Musikprojekte angeboten. Aus diesen ist die beschriebene Gruppe entstanden, weil etliche ehemalige Schüler_innen auf jeden Fall weiter gemeinsam was machen wollten. Nun sind sie im Rahmen des Schulvereins eine eigene Gruppe.
Ruf verwendet ihre Erfahrungen und Erkenntnisse aus ihren Zusatzausbildungen „schon oft auch im Unterricht. Überall wo es reinpassen könnte, verwende ich das eine oder andere aus diesen Theater-Methoden, weil es ein doch oft ganz anderes Herangehen an den Unterrichtsstoff ist“, führt sie aus, dass damit Schülerinnen und Schüler nicht nur mehr Spaß am Unterricht haben, sondern auch deutlich intensiver lernen können.
Simpel
Nach dem gleichnamigen Jugendroman von Marie-Aude Murail
Produktion: Young Actors Company (Schüler_innen und Absolvent_innen der AHS Korneuburg, NÖ)
Theaterfassung, Regie, Bühne: Stephanie Ruf
Spiel
Simpel: Henrik Rapp
Ben: Felix Nowak
Enzo: Maximilian Wurz
Anna: Isabella Kubićek
Konrad: Manuel Beisser
Emmanuel: Nikolaus Burger
Sarah: Victoria Trettenhahn
Beatrice/Frau Monschein: Isabella Kozussek
Djemilah/Mädchen mit Katze: Miriam Strobl
Wann & wo?
12./13. November 2019
WuK (Werkstätten- und Kulturhaus): 1090, Währinger Straße 59
Telefon: (01) 40121-0
Buch
Marie-Aude Murail
Simpel
270 Seiten
ab 12 J.
Taschenbuch: ab € 6,20
Gebundene Ausgabe: € 11,40
eBook: ab € 8,99
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