Auf der Suche nach der Freiheit - und sich selbst
Einer der vielleicht coolsten Jugendromane, in dem die wenigen jugendlichen Figuren ziemlich autonom im Zentrum stehen ist „ Tschick“ von Wolfgang Herrndorf. Das vor acht Jahren erschienene, außerdem gut und leicht zu lesende Buch wurde ein Jahr später dramatisiert (von Robert Koall) und war bereits in der Saison nach der Premiere das meistgespielte Stück aller deutschen Bühnen. Auch mehrere Theater Österreichs haben die Geschichte schon gespielt. Neuerdings ist sie im THEO, dem THEaterOrt Perchtoldsdorf freitags bis sonntags (bis Mitte Mai 2018) zu erleben.
Die Story
Der Titel des Buches und Stücks hat nichts mit rauchen zu tun, was vielleicht vermutet werden könnte, weil „tschicken“ oft auch was mit Heranwachsen, Verbotenes ausprobieren usw. zu tun hat. Er ist lediglich die Kurzform des Hauptprotagonisten Andrej Tschichatschow, eines „Russen-Deutschen“ aus einer sozial benachteiligten Familie, der neu in die Klasse kommt und vom Lehrer „nett“ herablassend vorgestellt wird, nicht zuletzt indem er dessen Namen nie auch nur annähernd richtig aussprechen will. Er muss sich neben den ebenfalls 14-jährigen Maik Klingenberg aus „gutem“ Haus setzen. Der wiederum ist sozusagen wohlstandverwahrlost: Mutter Alkoholikerin, Vater nie da und ein autoritärer Hund – ähnlich dem Lehrer.
Ferien: „ “ taucht bei Maik auf und überredet ihn, mit ihm in einem „geliehenen“ Auto ins Blitzblaue, in die „Walachei“ (die ein wenig an Janoschs „Panama“ erinnert) zu fahren, Abenteuer zu erleben, auf der Suche nach Freiheit – und sich selbst. Freundschaft zwischen den beiden entsteht, zaghaft, aber doch gewinnen beide – offenbar erstmals – Vertrauen zu einem anderen Menschen. Und sie treffen obendrein auf einer Müllhalde auf die sehr selbstbewusste, goscherte, patente Isa Schmidt, wo bei Maik sogar mehr mitschwingt als Vertrauen.
Das Spiel
In Perchtoldsdorf schlüpfen vier Schauspieler_innen vor, auf, zwischen massiven, flexiblen Holzgestellen und vor im Hintergrund ablaufenden Road-Movies in die Rollen der schon erwähnten und einer Reihe weiterer Figuren. Jakob Leonhard hält den „Russen“-Akzent genauso die ganzen eineinhalb Stunden durch wie die Mischung aus cool und möchte-gern-scheiß-mir-nix auf der einen Seite und die dann doch wieder zurückhaltende-verletzliche Seite. Florian Werkgartner als Maik lässt die Wandlung vom lebens-unlustigen, zu Hause ungeliebten „Langweiler“ zum Kumpel, der Lebensfreude gewinnt, nachvollziehen. Barbara Novotny und Victor Kautsch schlüpfen jeweils in mehrere Rollen, wobei ersterer sowohl als Vater als auch als Lehrer Wagenbach sowie als geistig im Krieg hängen gebliebener Horst Fricke zwar wandelbar ist, jedoch (fast) immer den Autoritären gibt, nur als Friedemann ist er der Sohn einer konsumkritischen Öko-Mutter mitten im Wald lebend. Novotny hingegen muss gleich – oft in Sekundenschnelle – von der wirklich coolen Isa in die betrunkene Mutter im goldenen stacheligen Lametta-Pulli wechseln. Oder in die nicht von dieser Welt wirkende Sprachtherapeutin, die Ökomutter, die Krankenschwester und obendrein in einem Kürzest-Halbauftritt Maik Vaters Geliebte mimen.
Infos: Was? Wer? Wann? Wo?
TSCHICK
von Robert Koall nach
Wolfgang Herrndorf
Ab 13 J., 1 ½ Stunden
Besetzung:
Maiks Vater/Lehrer Wagenbach/Horst Fricke/Friedemann: Victor Kautsch
Tschick: Jakob Leonhard
Isa/ Maiks Mutter/ alternative Öko-Mutter im Dorf / Sprachtherapeutin/ Vaters Geliebte/Krankenschwester/: Barbara Novotny
Maik Klingenberg: Florian Werkgartner
Regie: Birgit Oswald
Bühne/Kostüm: Natalie Pedetti, Richard Prack, Birgit Oswald
Filme: Germaine Haller
Regie-Assistenz: Katharina Haiböck und Lisa Peißig
Wann & wo?
Bis 13. Mai 2018
Jeweils Freitag bis Sonntag, 18 Uhr
THEO,
TheaterOrt Perchtoldsdorf
2380, Beatrixgasse 5a
Telefon: (01) 86683-400
www.theaterort.at
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