Angst erzeugt Verrat & Unterdrückung, doch Widerstand ist möglich
An den Wänden stehen auf Zeitungspapier gemalte Losungen rund um Freiheit. Im Hintergrund Rufe und Geräusche, die nach Demonstration klingen – von Rufen ebenfalls nach Freiheit oder später auch anderen wie „Die Mauer muss weg!“ – die deutet auf die Orte des Geschehens hin, die seinerzeitige DDR. Jugendliche verlangen mehr Freiheit, fordern Demokratie, kurz sie rebellieren. Andere meinen, das würde doch nix bringen, es gebe keine Chance auf Veränderungen. Wieder andere wollen gar nichts ändern, sondern nur brave Staatsbürger_innen sein.
Auf der Basis des Romans „Weggesperrt“ von Grit Poppe (Cecilie Dressler Verlag, Fortsetzungsbände „Abgehauen“, „Schuld“), die ihn nach vielen Interviews mit Zeitzeug_innen vor ca. zehn Jahren geschrieben hatte, verfasste Jaqueline Frittel eine Theaterversion. Die wiederum ist nun im Wiener WuK zu sehen – gespielt von Jugendlichen. Einige von ihnen schlüpften auch die Rollen der Erwachsenen, ob Eltern oder „Wärter“. Diese „Umerziehungslager“, im Volksmund doch aber auch Jugendknast genannt, existierten neben Jugendgefängnissen und dennoch wurden Jugendliche aus solchen Lagern stets als „Kriminelle“ diffamiert. Die ärgste unter den Anstalten war der geschlossene Jugendwerkhof Torgau – davor in der Nazizeit ein „Zuchthaus“ auch danach nicht viel anders geführt. Brechen des eigenen Willens, „es gibt kein Ich“, Ausspielen der Jugendlichen untereinander mit den Mitteln von teile und herrsche bzw. Kollektivstrafen usw. war die Maxime. Heute ist Torgau eine Gedenkstätte.
Szenen wie Mosaiksteine eines Gesamtbildes
Die Jugendlichen des SchauSpielWerks spielen die fast zwei Stunden in kurzen und kürzesten Szenen wie Mosaiksteine, die sich immer mehr zu einem Gesamtbild zusammenfügen. Mal Diskussionen untereinander, mal singen oder malend – thematisiert wird die Rolle von Kunst – als Widerstand oder nicht -, im Elternhaus, Verrat an die Polizei oder Staatssicherheit und immer wieder in den Durchgangslagern und schließlich in der Endstation Torgau. Die demütigende, niederträchtige Behandlung, den Kampf Jugendlicher untereinander samt Verrat von gegenseitiger Hilfeleistung usw. Und doch schließlich das Anwachsen der Demokratie- und Freiheitsbewegung, das doch mehr Optimismus und Glaube an Veränderung und Veränderbarkeit zulässt.
Phasenweise echt beklemmend werden die Erniedrigungs- und Unterdrückungsszenen gespielt – von Jugendlichen, die allesamt solch arge Situationen noch kaum erleben mussten. Manche genossen sichtlich aber die Herausforderung, so richtig ungute Charaktere spielen zu müssen/dürfen.
Breitere Gültigkeit
Dass der spätere Mauerfall und Untergang der DDR nicht zur Sprache kommt, eröffnet die allgemeingültigere Aussage über Herrschaftssystem, die mit Angst und Unterdrückung regieren, und sei es „nur“ in Teilbereichen wie der Erziehung von Kindern und Jugendlichen. So manche der angespielten Elemente hatten leider ja auch in Heimen im Österreich der 2. Republik stattgefunden – bis hin zu sexueller Ausbeutung, die noch dazu den Opfern jahrzehntelang nicht geglaubt worden war. Großheime, quasi „konzentrierte Lager“ mit wenigen „allmächtigen“ Personen, die Aufsicht führen und herrschen bergen strukturell die Tendenz in sich, gewalttätig zu werden oder sein. Auch das steckt – neben der historischen Dimension – in „Weggesperrt“.
Infos: Was? Wer? Wann? Wo?
Weggesperrt
nach dem gleichnamigen Roman von Grit Poppe
Theaterversion von Jaqueline Frittel
SchauspielJugend in Kooperation mit WUK KinderKultur
ab 14 J.
3. und letzter Teil der Trilogie „Macht – Glück“; die beiden vorherigen waren „Momo“ und Krabat.
Darsteller_innen
Anja: Nika Ovrutcki/Sophie Meier
Tomy: Lea Vujica
Gonzo: Zoe Estermann
Kilian:
Hugo Weidinger
Olaf: Kosta Borojević
Simone: Sarah Mühlberger
KünstlerWG:
Mascha: Carmen Öller
Elin: Nora Wildman
Rici: Sarah Wurzer
Charlie: Lena Tesch
Tobi: Fiona Klopf
Aufseher_innen: Nora Noll, Zsófia Bednárik, Carmen Öller, Hugo Weidinger
Regie Rita Dummer
Regieassistenz Nina Metzger / Constantin Gibel
Bühne Julia Foissner
Kostüm Selin Mahn
Licht Ferdinand Herwei
Das SchauSpielWerk ist ein Jugendensemble, das Klassiker der Theaterliteratur und zeitgenössische Kinder- und Jugendstücke umsetzt, oftmals mit Zwei- oder Dreifachbesetzungen der Hauptfiguren.
Wann & wo?
Bis 10. Mai 2018
WuK (Werkstätten- und Kulturhaus), 1090, Währinger Straße 59
Telefon: (01) 40121-0
https://www.das-schauspielwerk.at/
https://www.wuk.at/programm/2018/weggesperrt-von-grit-poppe-bearbeitet-von-jaqueline-frittel/
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