Am Lustigsten war’s im Gatsch
Im Hintergrund Wald, davor Wiesen. Auf einer Hälfte geht sie - teils fast steil - bergab, an anderer Stelle verläuft sie flach. Wir befinden uns am Rande der niederösterreichischen Landeshauptstadt St. Pölten, eher schon im benachbarten Obergrafendorf. Das Gelände war ein Truppenübungsplatz des österreichischen Bundesheeres. Am Muttertags-Wochenende finden hier die Spartan-Races statt, ein Lauf mit vielen Hindernissen und Hürden.
Kinder-KURIER und schauTV schauten Kindern und Jugendlichen - die jeweils in 20er-Gruppen starteten - dabei zu, von denen die allermeisten ziemlichen Spaß hatten. Sie liefen weder gegeneinander noch gegen die Uhr. Wer durchkommt, kriegt eine Medaille - gleich gewichtig wie die der Profis. Und: Gegenseitige Hilfe ist beim Spartan Race Kids ebenso angesagt wie Unterstützung durch freiwillige Helfer_innen bei den einzelnen Hindernissen.
Start
Dort wo’s steiler bergab geht, versammeln sich rund 20 Kinder, die meisten mit schwarzen T-Shirts, alle mit Stirnbändern mit einer Nummer drauf. Sie gehen - zumindest die meisten - in die Hocke, stehen wieder auf, wieder runter, aufspringen, nach links und rechts drehen, ein bisschen dehnen, ein bisschen auflockern. Aufwärmübungen. Und dann regt sie der Starthelfer an „Aroo! Aroo! Aroo!“ zu rufen bevor sie sich vors Startband begeben. Angeblich war das ein Schlachtruf der antiken Kämpfer_innen in Sparta, der griechischen Region, die im Wettstreit mit Athen lag.
Gatsch-Graben
Nach dem Start geht’s zunächst gerade aus bergab, dann der erste - trockene Graben, rauf, über eine als erstes Hindernis errichtete hölzerne Wand. Weiter rauf. Am Gipfel wartet ein aufgeschütteter Erdhügel, auf den noch rauf. Gleich nach dem steilen Abstieg eine mit Wasser gefüllte Grube. Nass und gatschig den zweiten Erdwall hinauf. Dann die erste Kurve. Die nächsten Hindernisse: Autoreifen an einem Seil müssen hochgezogen werden, bis sie oben an einem Balken ankommen. Ist das erreicht, Seil loslassen und der Reifen plumpst lautstark zu Boden...
Drei Altersgruppen
Für die Jüngsten - bis 6 Jahre - stehen die Hindernisse auf einem 800 Meter langen/kurzen Weg. Ihre bis 9-Jährigen Kolleg_innen haben das Doppelte und die „ältesten“ (10 bis 13 Jahre) das Vierfache, also 3,2 Kilometer zu bewältigen. Die laufen dann nicht den Kurs der Jüngsten vier Mal, sondern der Weg ist - zwischen selben Start sowie Ziel - ein anderer, natürlich auch mit weiteren, anderen Hindernissen.
Robben und balancieren
Die reichen von flach auf dem Boden unter einemsehr niedrig gespannten Netz zu robben über geschicktes, fast balanceartiges Klettern an aufgestellten Holzwänden mit wenigen angeschraubten Trittbretter bis zum Speerwurf auf Strohballen.
Das zuletzt genannte, schaffte fast niemand. Die Betreuerin der Station gab zu, dass nicht einmal sie es schafft, obwohl sie am nächsten Tag einen großen Erwachsenen-Spartan-Race absolviert. Deshalb sehen wir alle Kinder und Jugendlichen „Hampelmänner“ springen. Es ist dies die Kinder-Variante der sogenannte Burpees. Die müssen „Spartaner“ absolvieren, wenn sie ein Hindernis nicht schaffen (wollen). Die nach einem US-amerikanischen Physiologen benannten Fitness-Tests bestehen aus einer Kombination aus Liegestütz und Strecksprung.
Zwei Methoden
Ein weiteres der vielen Hindernisse sind horizontal gespannte Seile an deren Ende eine Glocke erreicht werden muss. Bei dem letztgenannten Hindernis wählen die einen die elegantere Version, sich oben auf dem Seil flach vorwärts zu ziehen. Andere wählen eine weniger elegante, dafür einfacher scheinende Methode. Sie lassen sich nach unten hängen, mit den Füßen umklammern sie das Seil und ziehen sich so vorwärts bis zur Glocke.
Noch nicht genug
Dieses Hindernis - und ein weiteres gegenüber - schräg gestellte Vierkant-Balken - hat es die Zwillinge Lili und Moritz so angetan, dass sie an beiden (nochmals) herumturnen nachdem sie ihren Lauf bereits beendet haben. „Weil’s lustig ist“, beantworten sie die Frage, weshalb sie sogar nach Bewältigen des Parcours noch weitere Hindernissen überwinden wollen.
Am Rennen selbst fanden sie - wie auch viele andere - besonders den Weg durch Wasser und Gatsch lustig, auch wenn’s „schon ein bisschen unangenehm“ war, „weil alles nass und damit nachher schwerer war. Trotzdem war das am Lustigsten.“
Schlamm
Auch Matteo hat der Schlamm am besten gefallen. Dass er voll gatschig und anss war, „hat mir nix ausgmacht“. Am schwierigsten fand er „die letzte Mauer, weil sie so hoch war“. Die Hindernisse ließ er auf sich zukommen, hat sich den Parcours zuvor - wie die meisten - gar nicht angeschaut. „I bin afoch losglauf’n, was kummt, woa ma wuascht“.
Der Achtjährige spielt Fußball bei der U8 Hofstetten-Grünau, „Verteidiger rechts hinten. Es gfallt ma afach, dass i immer die Bälle verteidigen tua, dass ned zum Tor kumman.“
(Fast) überall drüber klettern
Sehr viel Spaß hatte offenbar auch die 13-jährige Kerstin. Kaum hat sie die mehr als drei Kilometer samt Hindernissen hinter sich, strahlt und lächelt, nein lacht sie herzhaft - gemeinsam mit Schwester Johanna (10). Weshalb wir sie zum Interview bitten.
Angespitzt dazu wurde sie durch Hindernisse, die der Vater im Garten aufgestellt hat, um selber für seine Spartan-Race-Teilnahme zu trainieren. „Aber i kletter a so gern über Hindernisse drüber und irgenwo auffe.“
Auf der Strecke fand sie „am einfachsten des mit dem Drüberkräuln. Des mit dem Balancieren war a leicht. Was i am schwierigsten gfundn hab, war des im Wald. Du hast Bandln suachn miassen, oba die warn die meiste Zeit von de Bama vadeckt. Und des mit dem Matsch, da hab i mir am Anfang a schwer ta, weil i de ganze Zeit die Schuach valuan hab.“
Ihre Schwester Johanna hat nicht mitgemacht, „nur“ angefeuert - und ist damit doch die ganze Strecke - nur außerhalb der Absperrung - mitgelaufen, nur ohne Hindernisse. „I hab mi ned traut aba beim nächstn Mal wia i vielleicht mitlaufen.“
Großes Schul-Team
Dutzende Teilnehmer_innen des diesjährigen Spartna Race Kids kamen aus dem Stockerauer Gymnasium, wo es in der 1. und 2. Klasse einen Zweig mit Sport-Schwerpunkt im Ausmaß von vier Stunden gibt, wie Meryem, Lena, Leni, Anika und Elena dem Kinder-KURIER und schauTV erklären. Sie besuchen schon die dritte Klasse, aber es sei so etwas wie ein später gemeinsamer Abschluss dieser beiden gemeinsamen Jahre, nachdem sie sich danach in verschiedene Zweige, u.a. einen bilingualen, aufgeteilt hatten.
Die beiden Erstgenannten treten dann auch vor Kamera und Mikrophon. Auf die Frage, warum sie hier mitmachen, sagen sie: „Es ist eine Abwechslung, sonst stehen beim Laufen nicht überall Hindernisse herum. Das macht sicher Spaß.“
Spaß macht ihnen auch der Tag, „weil die Gruppe wieder zusammenkommt“.
Beide sporteln auch neben der Schule, Meryem geht regelmäßig laufen, „zu Hause mach ich Work out und vielleicht beginn ich mit Fußball, ich hab zwei Angebote: Schülerliga oder Verein, ich glaub es wird eher der Verein“. Position ist ihr fast egal, „Verteidigung oder Sturm, nur nicht Tor, ich wäre keine gute Torfrau“.
Ihre Interview-kollegin Lena geht zwei Mal wöchentlich in Sport-Aerobic, „das ist Tanzen mit Spagat und Dehnen...“
Spaß im Vordergrund
Trotz aller Anstrengungen erleben wir vor allem Kinder und Jugendliche, die ihren Spaß haben. Da es beim Kids Race nicht um Zeit oder gar Platzierung geht, sind auch die meisten Eltern entspannt. Manche allerdings gleichen dem Klischee der sogenannten „Eislauf-Mütter“, die ihre Kinder über den Parcours antreiben wollen. „Ned nachdenkn, kane Schmerzen, weida“, schreit etwa eine Mutter ihren Sohn an, der gerade unterm flach gespannten Netz über die Wiese robbt.
„Wir haben einerseits Elite- und Age-Groups, die um ihre Altersklassen-Siege kämpfen, aber 90 Prozent der Teilnehmer sind im Open Heat und da darf man sich auch gegenseitig über Hindernisse helfen und in der Masse den Spartan Race bewältigen“, erzählt Helge Lorenz, Ober-Organisator der österreichischen Veranstaltungen. „Deshalb ist es uns ein großes Anliegen, dass jedes Kind eine Finisher-Medaille und Shirt bekommt und dass es keine Zeitnehmung gibt und dass Spaß im Vordergrund stehen soll. Und wenn man in einer Gruppe als Erster ins Ziel rennt, gibt’s keinen besonderen Preis dafür.“ (Mehr im eigenen Interview unten.)
Hier der Beitrag von schauTV
gedreht von Wolfgang Semlitsch
schau LEBEN - Spartan Kinder
Hintergrund
Spartan Race ist ein Lauf mit Hindernisse. Unter der vor rund zehn Jahren in den USA gegründeten Marke finden jährlich mehr als 150 Rennen in mehr als zwei Dutzend Ländern auf allen Erdteilen mit rund einer Million Teilnehmer_innen statt. Streckenlänge sowie die Hürden sind praktisch international genormt. Es gibt unterschiedliche Kategorien - für Profis sowie für Hobby-Sportler_innen und seit einigen Jahren auch für Kinder bzw. Jugendliche - mit unterschiedlichen - aber ebenfalls standardisierten Längen.
Wer ein Hindernis nicht schafft, muss sogenannte Burpees absolvieren- das sind Übungen aus einem Mix an Liegestütz und Strecksprung. Der Name stammt vom US-amerikanischen Physiologen Royal Huddleston Burpee, der 1939 einen ach ihm benannten Test entwickelt hat, einen sogenannten „Fitnesstest für jedermann“.
Gründer und Veranstalter ließen/lassen sich vom antiken griechischen Sparta inspirieren. Diese - im Süden des Peloponnes gelegene - Region war sozusagen Gegenspieler von Athen. Erstere eher streng hierarchische, militärisch, Zweitere demokratischer ausgerichtet. Angeblich hatten die Krieger_innen Spartas den Schlachtruf „Aroo!“ mit dem sich auch die Läufer_innen der Spartan-Race-Veranstaltungen auf den Start einstimmen.
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