Äußerst schmerzliche Erkenntnisse

Äußerst schmerzliche Erkenntnisse
Guten Morgen!

Kennen Sie diese eine arge Maßnahme, die uns durch die Klimaschutzpolitik aufgezwungen wird und unser Leben verändert?

Nicht?

Ich auch nicht. Österreich betreibt Klimaschutz offenbar als Gedankenexperiment.

Wir könnten zum Beispiel beklagen, dass irgendwann, in 13 Jahren oder so, keine Verbrennerautos mehr neu zugelassen werden dürfen. Den V8 vom Nachbarn werden sie trotzdem noch nach 2035 anmelden können, kein Problem also. Auch die fossile Heizung wird man nicht so schnell tauschen müssen. Nicht einmal im Neubau ist derzeit der Einbau von Gasheizungen verboten. Wer das dennoch tut, mag an Hypoxie leiden, legal ist es allemal, denn das dafür vorgesehene Erneuerbare Wärmegesetz hat keine Zweidrittelmehrheit. Übrigens nicht das einzige Gesetz mit Klimabezug, das nicht und nicht fertig wird. Die UVP-Reform, die bei Ausbau von Wind und PV den Turbo zünden soll, ist noch immer nicht auf Schiene.

Apropos. Es bleibt auch weiter deutlich billiger, mit dem Flugzeug auch Kurz- und Mittelstrecke zu fliegen, statt mit der Bahn zu fahren, die ÖBB müssen für ihren, in den eigenen Wasserkraftwerken erzeugten, Strom Steuern zahlen, die Fluggesellschaften für ihren fossilen Flugzeugtreibstoff nicht.

Wir sind also, um es mit den Worten des ehemaligen Kanzlers zu sagen, noch weit entfernt von der „Steinzeit“, in die uns die Klimaschutzpolitik angeblich bringen wird. Was dabei noch immer erstaunt, ist, dass es Kurz war, der als Erster „Österreich wird klimaneutral, und zwar bis 2040“ skandiert hat. Vielleicht ist es Ihnen aufgefallen, es kam nie der Satz danach, was dieses Ziel heißt und wie es erreicht werden soll. Konkrete Pläne gibt es nicht, nicht einmal einen Reduktionspfad, weil der im Klimaschutzgesetz stehen würde, das aber, sie ahnen es sicher, keine Zustimmung der ÖVP hat.

Wir haben mit Leonore Gewessler eine engagierte Klimaschutzministerin, das will ich ihr sicher nicht absprechen, aber unterm Strich sind wir nicht viel weiter als unter ihren Amtsvorgängern von der ÖVP. Die Neos haben kürzlich Gewesslers Scheitern thematisiert, mit dem hitverdächtigen Satz „Tausend Tage regiert, tausend Tage ist nichts passiert“.

Nur: Die Neos sind eine zehn Prozent-Partei und äußern sich immer wieder konstruktiv zum Klimaschutz, die Grünen sind eine zehn Prozent-Partei, und um ehrlich zu sein, war es das mit den konstruktiven Klimakräften im Parlament. SPÖ? Haben in NÖ zuletzt gegen ÖVP-Politiker gewettert wegen der Zustimmung zur (lächerlich kleinen) CO2-Steuer. Die Volkspartei stellte bis 2020 alle Klimaminister. Und die FPÖ sieht gar keine Klimakrise, sondern nur das Ende der letzten Eiszeit, hatte Parteichef Kickl erst im Sommer betont.

Derweil hat das Climate Change Center Austria (CCCA), wo sich Österreichs Klimaforscherelite versammelt, am Tag nach der 27. Klimakonferenz klar gemacht, dass Österreichs verbleibendes CO2-Budget für das 1,5°-Ziel in nicht einmal vier Jahren aufgebraucht ist, sofern sich am Treibhausgas-Ausstoß nichts mehr ändert. Und da wären wir wieder bei der anfangs erwähnten, argen Klimaschutzmaßnahme, die es gar nicht gibt.

Warum das alles so ist, dafür gibt es zahlreiche Erklärungsmöglichkeiten, von den Transitionsforschern, von der Klimapsychologie und vielen mehr.

Die Wahrheit ist, dass (nicht nur bei uns) die Klimakrise trotz erdrückender Evidenz nicht ernst genommen wird. Und da will ich, ganz Kind einer Psychotherapeutin, noch kurz auf Sigmund Freud verweisen. Der sprach vor hundert Jahren über die drei narzistischen Kränkungen des Menschen.

Die erste narzistische Kränkung verortete Freud in den Erkenntnissen der Herren Kopernikus und Kepler, als sie entdeckten, dass wir Menschen nicht das Zentrum des Universums sind, sondern nur auf einem von vielen Planeten um die Sonne kreisen. Damals forderten die Dominikaner als Erste ein Lehrverbot des Heliozentrismus, auch die Protestanten waren gegen diese Erkenntnis. Der Streit von Papst Urban VIII. mit Galileo Galilei ist allen wohl bekannt, Galilei wurde, um das nur auch zu erwähnen, von der katholischen Kirche aber letztlich rehabilitiert. Und zwar 1992 von Papst Johannes Paul II.

Die zweite Kränkung kam dann von einem Briten, Herrn Charles Darwin, als er erkannte, dass die Menschen nicht unbedingt die Krönung der göttlichen Schöpfung sind, sondern auch nur eine Affenart. Darwin hatte die Öffentlichkeit langsam auf sein Werk vorbereitet, ein Knaller war es trotzdem, und ganz bei den Menschen angekommen ist die Erkenntnis noch immer nicht. In den USA hat mit Herschel Walker soeben ein Republikaner eine Senatswahl nur knapp verloren, der wiederholt Darwins These mit der einfachen Frage „Well, then why are there still apes“ auszuhebeln versuchte. (Video dazu hier)

Die dritte narzistische Kränkung verortete Sigmund Freund durch die Forschungsergebnisse von keinem Geringeren als Sigmund Freud, nämlich, dass wir Menschen nicht einmal Herr im eigenen Haus sind, sondern unser Bewusstsein von einem Es und einem Über-Ich gelenkt wird.

Die Idee, dass es inzwischen eine vierte narzistische Kränkung gibt, ist jetzt nicht von mir, sondern gibt es schon länger. Der deutsche Physiker und Philosoph Gerhard Vollmer sieht überhaupt schon zehn Kränkungen, eine davon eben die „ökologische“ Kränkung, dass wir es nicht verwinden können, für die Klimakrise und die Biosphärenkrise (Artensterben) verantwortlich zu sein.

Für Freud ging die Belehrungsresistenz der Menschen nicht auf Unwissen zurück, sondern ganz im Gegenteil: Manche Erkenntnisse seien so arge, umstürzende wissenschaftliche Entdeckungen, dass unser bisheriges Selbstverständnis einen schweren Schlag erleiden musste, und dass „durch den Inhalt der Lehre starke Gefühle der Menschheit verletzt worden sind“, schrieb Freud.

Naja, wir werden auch diese Kränkung überwinden, spätestens in ein paar Jahrhunderten, obwohl der Papst jetzt schon auf der Seite der Klimaschützer steht.

Bleiben Sie gesund!

Ihr
Bernhard Gaul
bernhard.gaul@kurier.at

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