Zu viel Zucker: Warum Handel und Ärzte eine Allianz bilden

Für eine Warnung vor Zuckerersatzstoffen sei es zu früh, sagten Experten.
Eine neue Initiative macht auf den hohen Konsum aufmerksam. Süßstoffe sind keine Alternative.

„Ich habe in der Früh fünf Datteln gegessen, sonst könnte ich hier nicht reden. Zucker ist lebenswichtig für das Gehirn, auch für die Muskeln. Und deshalb ist das keine Allianz gegen den Zucker, sondern eine Allianz gegen zu viel Zucker.“ Der Gynäkologe Markus Metka, Präsident der Österreichischen Anti-Aging-Gesellschaft, ist einer der Proponenten dieser neuen „Allianz gegen zu viel Zucker(www.zucker-raus-initiative.at). Getragen wird sie von Spar, der Österr. Ärztekammer, mehreren ärztlichen Fachgesellschaften sowie den Produzenten Rauch Fruchtsäfte und Berglandmilch.

Fett in der Leber

Besonders problematisch sei Fruktosesirup („Isoglukose“) aus Mais, Kartoffeln oder Getreide: „95 Prozent der Fruktose gelangen in die Leber und führen zur Fettleber.“

Süßstoffe seien keine Alternative, betonte der Internist Friedrich Hoppichler, Präsident der Österreichischen Adipositasgesellschaft: „Starke Nutzer von Süßstoffen haben ein um das Zweifache erhöhtes Adipositas-Risiko“, sagte Hoppichler, der wie Metka auch Mitglied im wissenschaftlichen Beirat von Spar ist.

Süßstoff-Konsumenten holen sich offenbar den Zucker verstärkt aus anderen Lebensmitteln. Gleichzeitig kommt es zu Veränderungen in der Darmflora, die zu einer höheren Energieaufnahme aus der Nahrung führen.

Zu viel Zucker: Warum Handel und Ärzte eine Allianz bilden

Spar habe bereits 575 Tonnen Zucker – „fast 40 LKW-Ladungen“ – aus 248 Eigenmarken–Produkten entfernt, bis spätestens Ende 2020 sollen es mindestens 1000 Tonnen sein, sagte Spar-Vorstandsvorsitzender Gerhard Drexel. „Wir reduzieren den Zuckergehalt bei bestehenden Eigenmarkenprodukten und führen Zuckerlimits für Neueinführungen ein – bzw. erzeugen sie ganz ohne Zuckerzusatz.“ Es gebe keinen Ersatz durch künstliche Süßstoffe.

Das betonten auch Wolfgang Schwald (Rauch) und Josef Braunshofer (Berglandmilch): Die Konsumenten müssten durch schrittweise Reduktion an weniger Süße gewöhnt werden: „Das ist die Herausforderung.“

Bei 100 Gramm Fruchtjoghurt habe man den Zuckergehalt von den üblichen 14 bis 15 Gramm bereits auf 12 Gramm gesenkt, sagte Drexel, das sei aber nur ein Zwischenschritt. Spar Vital Cornflakes gebe es bereits ohne Zuckerzusatz, ebenso Apfelmus. Auch bei Ketchup und Senf zum Beispiel gebe es bereits deutliche Reduktionen.

Zu viel Zucker: Warum Handel und Ärzte eine Allianz bilden

Von der Politik erwartet sich die neue Initiative mehr Unterstützung – etwa beim Ausbau von speziellen Bildungsangeboten an Schulen oder mehr Information für die Bevölkerung.

Beim Rewe-Konzern hieß es auf Anfrage, dass man ebenfalls den Zuckergehalt bei den Eigenmarken reduziere, aber das Thema insgesamt breiter sehe: 100 Produkte habe man derzeit bei der Zuckerreduktion im Blick, man schaue aber genauso auf andere Inhaltsstoffe, etwa einen zu hohen Salzgehalt.

Eine Gratwanderung

Für Ernährungswissenschafterin Birgit Beck vom Verein für Konsumenteninformation (VKI) ist die Initiative „eine Gratwanderung“: „Einerseits muss man sie unterstützen, weil es ganz wichtig ist, Zucker zu reduzieren und nicht durch Süßstoffe zu ersetzen.“ Andererseits werde der Zuckergehalt vor allem von Produkten reduziert, „die auch nach der Reduktion immer noch sehr süß sind“. Ein Naturjoghurt mit Früchten etwa wäre auch dann die bessere Wahl als ein Fruchtjoghurt, wenn dieses zuckerreduziert sei.

„Und ein Fruchtjoghurt sollte man als Süßigkeit betrachten, nicht als Milchprodukt.“ Auch mit einem zuckerreduzierten Fruchtjoghurt und einem halben Liter zuckerreduzierten Eistee komme man immer noch über die 50 Gramm empfohlener Zucker-Tagesmenge, betonte Beck.

Zuckergipfel kommt

In einem KURIER-Interview Ende 2018 hatte Gesundheitsministerin Beate Hartinger-Klein angekündigt, Gespräche zur Zuckerreduktion mit dem Handel zu führen. „Die Vorbereitungsgespräche laufen auf Hochtouren – Anfang Mai wird der Gipfel stattfinden“, hieß es Dienstag auf KURIER-Anfrage. Die neue Kampagne müsse man sich erst ansehen, „grundsätzlich gilt, dass jede Initiative, die zur Gesundheit beiträgt, begrüßenswert ist“.

Keine Zuckersteuer

Eine Absage erteilt das Ministerium einer Zuckersteuer, dass stark zuckerhältige Lebensmittel stärker besteuert werden: „Die Bundesregierung hat im Regierungsprogramm festgelegt, dass es zu keinen Steuererhöhungen bzw. neuen Steuern kommen soll.“

Beim Fachverband der Nahrungsmittelindustrie heißt es, es sei zu kurz gegriffen, einen einzelnen Lebensmittel-Inhaltsstoff herauszugreifen: „Es geht um ausgewogene Ernährung und einen aktiven Lebensstil.“

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