Beschwipst zum Sport: Kann das gesund sein?

Mit einem Schwips Hanteln stemmen: Tut das dem Körper gut?
Berauscht zum Sport? Kann passieren. Ob es ratsam ist, erklären Experten.

Vor etwas über zwei Jahren mischte ein neuer Trend die Yoga-Szene auf: Beer Yoga, also Bier Yoga. Bei der Ausübung ist die Symbiose der Bierflasche und des Yoga-Flows zentral – nach jeder Pose folgt ein kräftiger Schluck. Kurz darauf machte Tequila Yoga die Runde. Ähnliches Prinzip, anderer Alkohol.

Auch abseits dieser Yoga-Varianten, bei denen Alkohol dezidiert Teil des Trainings ist, gibt es eine ganze Reihe von Gründen, warum man leicht beschwipst – etwa nach einem After-Work-Drink mit Kollegen – ins Fitnessstudio pilgert.

Doch ist das alles wirklich eine gute Idee? Paul Hokemeyer, US-amerikanischer Suchtexperte und Psychotherapeut, zeigt sich im Interview mit Refinery 29 skeptisch: "Es ist wichtig, beim Training mental vollständig anwesend zu sein – und Alkohol stört diese Präsenz", erklärt Hokemeyer. Alkohol sei eine chemische Verbindung, die "tiefgreifende Auswirkungen auf das komplexe neuronale Netzwerk hat, das wir als Gehirn bezeichnen". "Wenn wir unserem Körper Alkohol zuführen, beeinträchtigt dieser sofort, wie gut wir denken, wie elegant wir uns bewegen und wie gut wir Risiken einschätzen können", betont Hokemeyer.

Nicht förderlich

Im Gegensatz zum stimulierenden Koffein, das quasi keine Kalorien enthält und den Stoffwechsel beschleunigt, sei Alkohol ein Nervengift, das die Wahrnehmung verzerrt, das Urteilsvermögen trübt und die Konzentration beeinträchtigt. Mögliche Folgen: Fettabbau und Muskelaufbau werden blockiert, die Leistung leidet. "Es ist ein mieses Elixier für ein effizientes Training", bringt Hokemeyer es im Interview mit der Online-Plattform auf den Punkt.

Dieser Einschätzung schließt sich auch John Hawley, Leiter des australischen Mary MacKillop Institute for Health Research, an. In seinen Erhebungen konzentrierte sich der Experte für Sportphysiologie auf den Konsum von Alkohol nach dem Sport. Es zeigte sich, dass Alkohol den Muskelaufbau – konkret die Proteinsynthese im Körper – beeinträchtigt.

Ob Bier, Wein und Co. vor oder nach dem Sport konsumiert werden, sei dabei nebensächlich. "Jeder Alkoholkonsum, der entweder die Intensität, Dauer oder Qualität eines Trainings beeinträchtigt, ist schädlich", betont Hawley im Interview mit Refinery 29. "Und obwohl Alkohol die Wahrnehmung von Anstrengung während des Trainings verringern kann (…) ist dies normalerweise mit einer Verringerung der Intensität verbunden."

Potenziell gefährlich

Damit nicht genug: Alkohol hat auch eine dämpfende Wirkung auf das Immunsystem. Die weißen Blutkörperchen, insbesondere die sogenannten Fresszellen, die an vorderster Front der Krankheitsbekämpfung stehen, werden durch den Alkohol im Blut "gelähmt". Im Fitnessstudio, wo sich allerhand Bakterien tummeln, ist das nicht gerade von Vorteil. "Wenn man schon den Kater im Fitnessstudio bekämpfen will, sollte man unbedingt Händedesinfektionsmittel einpacken", mahnt Hokemeyer.

Alkohol entzieht dem Körper auch Wasser – wer beschwipst oder verkatert eine besondere schweißtreibende Trainingssession einlegt, tut sich also keinen Gefallen. Von Aktivitäten wie Hot Yoga (hier wird bei über 35 Grad Celsius geübt) rät Experte Hokemeyer dringend ab: "Jede Form von intensiver körperlicher Aktivität unter Alkoholeinfluss belastet den Körper. Der Sinn des Trainings besteht darin, das körperliche und geistige Wohlbefinden zu steigern – anstatt es zu gefährden."

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