Wochenendtipp: Prosciutto-Fest in San Daniele
Italien hat, wem muss es an dieser Stelle gesagt werden, einige der berühmtesten und wichtigsten Produkte der kulinarischen Welt in seinem Portfolio. Eines davon ist der Prosciutto di San Daniele. Man erzählt, er hätte schon im vierzehnten Jahrhundert an den Fürstenhäusern für Begeiterung gesorgt. Die Spezialität wird mittlerweile in einer Art Mini-Industrie rund um das Städtchen San Daniele hergestellt, doch irgendwie (Herkunftskontrolle und Fertigung) schaffen sie es, die Qualität nicht zu unterbieten. Das berühmte Schinkenfest in San Daniele findet seit 28 Jahren am letzten Wochenende des Juni statt. Wer sich ein elaboriertes Miteinander von Produzenten und ein paar freakigen Gourmets erwartet, soll hier gewarnt sein. Dies ist kein Slow Food-Convivium, sondern eine Münchner-Wiesen-artige Megaveranstaltung nach dem Motto: Prima la birra, poi il prosciutto. Auf liebenswürdig italienische Weise ist die Sache teilweise so organisiert, dass nur der Ortskundige den Weg auf die Parkplätze finden, damit sie sich später auf den Hügel schleppen können, wo das Fest stattfindet. Von den Parkplätzen führen Shuttle-Busse in den Ort, zu Fuß gehen ist aber schöner. Vorbei an Trash-Standeln, wo sie neben Tüchern und Limo auch Betten und Fenster anbieten, geht der Weg und der hungrige San Daniele-Besucher, der sich durch Kinderwägen und kurze Hosen zwängt und feiste Unterschenkel sieht, die leider nicht nach San Daniele-Schinken-Methode zubereitet sind, fragt sich, ob er vielleicht auf der falschen Veranstaltung ist. 400.000 sind es, die an diesem Wochenende durch die Straßen des kleinen Dorfes geschleust werden und Bier aus Plastikbechern trinken und sich dazu perfekt aufgeschnittenen Prosciutto, Salami und den lokalen Käse auf Papiertellern gönnen. Ein genussreiches Miteinander mit ein wenig Jahrmarktflair.
Die Friulaner verstehen etwas vom Guten und auch vom Besten
Wer zum ersten Mal hier ist, merkt sofot, dass in Italien auch große Volksfeste nicht unter einem gewissen kulinarischen Level stattfinden. Er wird Zeige, wie schon Kleinkinder von einem der besten Produkte Europas kosten und freut sich an der Art, wie man es sich hier kollektiv gut gehen lässt, ohne dass die Gäste auch am späteren Abend über Alkoholleichen stolpern müssen. Dass Deutschland nahe ist, merken wir an den Paulaner-Sonnenschirmen und den Tischen, die - kein Witz - jedes Jahr vom Oktoberfest importiert werden. Leider eine ästhetische Niederlage. Die Dichte an Prosciutterias, so heißen die kleinen Läden, in denen zweifelsfrei der Schinken die Hauptrolle spielt, vermittelt dem Besucher aus Österreich inmitten der Menschenmassen ein Gefühl des Zuhauseseins. Der San Daniele-Schinken gilt vielen auch seit dem EU-Betritt Österreichs, dem wir verdanken, dass man den Prosciutto nicht mehr unterm Winterpullover oder in der Karosserie des Wagens ins Land schmuggeln muss, als begehrenswerte Delikatesse. Wie phantastisch er immer wieder schmeckt, wenn er richtig mit der Berkel aufgeschnitten und sofort zum Verzehr angeboten wird!
Unvergleichlich: der Prosciutto aus San Daniele
Der Autor ist Gast auf der Eröffnung des Festes, die gewohnheitsmäßig am Freitag vor dem Wochenende stattfindet. Riesenbühne auf dem Platz vor der Kirche des Städtchens. Funktionäre halten Reden, dazwischen immer wieder "Gracie, Presidente" der blonden Moderatorin. Ein italienischer Gourmetjournalist hält eine Lobesrede auf die schinkenartige Einmaligekeit aus San Daniele. Später wird es ein Rockkonzert geben. Für Montag verspricht das Programm einen Höhepunkt: die Wahl der Miss Alpe Adria. Auf einem kleinen Empfang des Schinkenkonsortiums arbeoitet ein Harry-Dean-Stanton-Lookalike mit stoischer Präszision an der Berkel und produziert dort drei Stunden lang Schinkenblatt für Schinkenblatt und als das Fest zu Ende ist, habe ich ihn gefühlte fünf Dutzend Mal aufgesucht. Dem San Daniele Schinken zu verfallen ist nicht schwer. Das Dort selbst allerdings ist an festlosen Zeiten gewiß einladender, allerdings trifft man dort dann auch nicht die Käse-, Bier- und Feigenmarmelademacher, die Dinge feilbieten, von denen man nördlich der Alpen gewiss noch nichts gehört hat. Die Empfehlung lautet also: hinfahren und sich als Teil eines großen, genussfreudigen Ganzen begreifen.
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