Witzigmanns Welt: Schnecken

Witzigmanns Welt: Schnecken
Von echtem und falschem Kaviar, von alten Römern und christlichen Mönchen, von Fastenzeit, Schneckentempo und Dosennahrung.

Ein befreundeter Hobby-Foodhunter hat mir vor ein paar Tagen ein Gläschen Schneckenkaviar geschickt, den er neulich in einem Szenelokal entdeckt hatte. Ich habe mich über diese "Schneckenpost" sehr gefreut, musste meinem Bekannten aber gleichzeitig mitteilen, dass ich die milchig-weißen Eier bereits seit Anfang der 1970er kenne.

Ohne dieses Produkt herabsetzen zu wollen – der Begriff " Kaviar" weckt in diesem Zusammenhang völlig falsche Erwartungen. Es ist – salopp gesagt – der Wonderbra unter den kulinarisch vermarkteten Gelegen. Zwischen den Eiern der Weinbergschnecke und denen des Störs liegen aromatisch gesehen Universen. Sie schmecken ein bissl nach Moos, manche fühlen sich auch an Radieschen oder Cassis erinnert.

Mit Fischrogen hat diese Spezialität jedoch nichts gemein. Der wesentlich größere Genuss als deren Eier ist die Weinbergschnecke selbst. Schon die alten Römer betrieben professionelle Escargot-Farmen zur Freude antiker Feinschmecker. Zu verdanken haben wir die Verbreitung dieser außergewöhnlichen Köstlichkeit aber letztlich dem Erfindungsreichtum christlicher Mönche. Vor Hunderten von Jahren entdeckten die Kirchenmänner während der Fastenzeit nicht nur das Starkbier als Brotersatz, sondern auch die Schnecke als fleischliche Alternative.

Frei nach dem Motto "Lieber einen Schneck als gar keinen Speck." Besonders populär sind die Kriechtiere bis heute bei den griechisch-orthodoxen Mönchen auf Kreta. Nirgendwo sonst habe ich so viele Schneckenrezepte gefunden. Was bei Schneckengerichten kein Vergnügen bereitet: die Zubereitung von lebenden Tieren. Es ist eine sehr arbeitsintensive und langwierige Prozedur, die ich während meiner Zeit als Jungkoch bei Paul Bocuse kennengelernt habe.

Das ging wirklich nur im Schneckentempo. Daher mein Tipp an alle Hausfrauen: Greifen Sie – ausnahmsweise! – zur Dose. Schließlich sollen nicht Sie, sondern die Schnecken aus dem Häuschen geraten.

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