Witzigmanns Welt: Sauerkraut

Witzigmanns Welt: Sauerkraut
Schon die jungsteinzeitlichen Hausfrauen verwöhnten ihre Männer damit und lange Zeit durfte es auf keiner Schiffsreise fehlen - das Sauerkraut.

Immer wenn ich aus der Schule kam, konnte ich schon im Treppenhaus riechen, was es zu Mittag geben sollte. Stand Sauerkraut auf dem Speiseplan, war der Geruch besonders intensiv. Das Spezielle am Sauerkraut meiner Mutter war, dass sie es wie Witwe Bolte in Wilhelm Buschs "Max und Moritz" noch selbst hobelte und wochenlang vor sich hingären ließ.

Sauerkraut ist milchsauer vergorener Weißkohl. Hierbei handelt es sich um eines der ältesten europäischen Gemüse, mit dem schon jungsteinzeitliche Hausfrauen ihre Männer verwöhnten. Doch auch die Chinesen schwören seit der Antike auf diesen nährstoffreichen Vitamin-C-Lieferanten, der aus diesem Grund seit dem 18. Jahrhundert auf keinem Schiff fehlen durfte. Wahre Meister im "Verkohlen" waren nebenbei erwähnt die Slawen. Sie wandten diese Kunst der Konservierung auch bei Rüben an.

Naturkostler schwören auf rohes Sauerkraut als Salat oder auch als Saft. Die lebenden aktiven Milchsäurebakterien sollen für eine "windarme", gesunde Verdauung sorgen. Die Alternative hierzu lautet Beten, getreu dem Spruch: Wer auf Gott vertraut, braucht kein Kraut.

Ich persönlich schätze Sauerkraut vor allem in gekochter Form. Es bietet die ideale Unterlage für Blut- und Leberwürste, Kasseler, Rauchfleisch oder Leberknödel, Frankfurter oder Schweinswürste. Dazu noch Kartoffelbrei mit gerösteten Zwiebeln, wie es meine Mutter gemacht hat - perfekt! Aber auch zu Geflügel wie Huhn, Wachtel, Ente, Rebhuhn, Taube oder Fasan sowie zu Fisch (z. B. Zander, Hecht, Lachs, Kabeljau) oder Austern macht Sauerkraut eine gute Figur.

Eine Klasse für sich ist das Pastrami Sandwich (= geräuchertes Rindfleisch) mit Sauerkraut und Reuben Sauce, wie ich es nirgendwo besser gegessen habe als im legendären "Katz's Delicatessen" in New York. Und: Ohne Sauerkraut gäbe es auch mein heiß geliebtes Szegediner Gulasch nicht.

Leider führt Sauerkraut weltweit ein Klischeedasein als typisch deutsche Sättigungsbeilage. Gus Bacchus und seine "Sauerkrautpolka" lassen grüßen. Dabei sitzen die eigentlichen "Krauts" in Frankreich. Gehen Sie doch mal im Winter in einer Pariser Brasserie. Erst ein "Plateau de fruits de mer" und hinterher ein "Choucroute garnie". Das Spezielle an dieser elsässischen Version des österreichischen Bauernschmaus' ist nicht nur das Kraut, das eine ausgeprägte Säure und einen herzhaften Biss hat, sondern auch der geringe Einsatz von Düngemitteln und die optimalen Bodenverhältnisse.

Wer einmal ein frisch zubereitetes Sauerkraut gegessen hat, wird um die Dosenversion einen großen Bogen machen. Ich koche es ungewaschen, mit Schweinefett, Geselchtem und einem Säckchen mit Kümmel, Wacholder, Lorbeer und Piment unter gebuttertem Papier im Ofen bissfest. Zum Binden können Sie zusätzlich feingeschnittene Apfelstückchen (alternativ: frische Ananas oder Muskatwein-trauben) oder eine geriebene, rohe Kartoffel dazugeben.

Sauerkraut gilt unter Experten als Katerkiller. Aber bitte erst am Morgen danach. Sonst spielen Sie im Schlafzimmer noch unfreiwillig den "aufgeblähten" Filmklassiker " Louis und seine außerirdischen Kohlköpfe" mit Louis de Funès nach.

Aus: freizeit-KURIER vom 20.02.2010
Eckart Witzigmann widmet sich in seiner Kolumne im FREIZEIT-Kurier dem ganz (un)gewöhnlichen Küchen-Alltag.

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