Witzigmanns Welt: Rhabarber
In New York erkennt man den Frühling daran, dass sich die Taxifahrer ihren linken Mittelfinger mit Sonnencreme einschmieren. In meiner Wahlheimat München erkenne ich ihn daran, dass es auf dem Viktualienmarkt endlich wieder
Rhabarber gibt.
Wenn ich die frisch geernteten Blattstiele sehe, muss ich unmittelbar an den Rhabarber meiner Tante Wetti denken. Zusammen mit meinen Cousins Hubert und Klaus verschlangen wir Kinder immer im Salettl der Pension Echo ihren mit Zimt bestäubten, lauwarmen Rhabarberkuchen mit Streuseln und Schlagobers. Besser konnte der Frühling in Bad Gastein nicht schmecken.
Der Rhabarber ist eine gebürtige Ostpflanze. Bereits vor 5.000 Jahren baute man in China "Lhabalbel" als Heilpflanze an. Genau genommen ist der Rhabarber kein Obst, sondern ein Stängel- und Sprossgemüse. Dazu ist er ein Cousin vom Sauerampfer, was man vor allem beim grünstieligen Rhabarber merkt, während die Stangen mit roten
Stielen und grünem Fleisch eher ein herbes Aroma haben. Ich persönlich bevorzuge den roten Rhabarber mit rotem Fleisch. Der ist mild und schmeckt leicht nach Erdbeeren. Was auf den ersten Blick etwas überrascht: Rhabarber harmoniert hervorragend mit Fisch, Kalbfleisch, Wild und Geflügel. Man kann aus ihm Chutney machen oder eine Relish-Sauce, die gut zu kaltem Braten passt. In der süßen Variante hat mich der Rhabarber im Lauf meiner Karriere immer wieder zu tollen Rezepten inspiriert: als Soufflé mit Ingwer parfümiert, als Strudel mit Vanille-Mandeleis oder Rhabarber mit Kirschen-Grütze undZimteis. Mein Lieblingsrezept aber stammt von einem Aubergine-Stammgast: Rhabarber mit einer Eiweißhaube abgedeckt und abgeflämmt.
Angelaufene Aluminiumtöpfe bringen Sie übrigens mit den ansonsten unverwertbaren, giftigen Rhabarberblättern wieder zum Glänzen. Fazit: Sauer macht nicht nur lustig, sondern auch sauber.
Aus: freizeit-KURIER vom 15. 05. 2010
Eckart Witzigmann widmet sich in seiner Kolumne im FREIZEIT-Kurier dem ganz (un)gewöhnlichen Küchen-Alltag.
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