Witzigmanns Welt: Matjes

Witzigmanns Welt: Matjes
Von Fangzeiten und Zufallsprodukten, butterzarterDelikatesse und der Art und Weise, wie die Profis sieam liebsten verzehren.

Heringe werden zu den verschiedensten Produkten verarbeitet. Denken Sie nur an Bismarckheringe, Rollmöpse oder Konservenware. Letztere ist mir ein Graus und kommt gar nicht erst in die Einkaufstüte. Meine Lieblingsspezialität ist der "Frühlingshering" - auch Matjes genannt.

Ein echtes Zufallsprodukt: Der Niederländer Wilhelm Beukelzoon übersah im Jahre 1395 beim Ausnehmen der Jungfische die Bauchspeicheldrüse. Er staunte nicht schlecht, als er später einen Blick ins Salzfass warf: Die "jungfräulichen" Fische waren fermentiert. In Zusammenhang mit dem Salz hatten die Enzyme der Bauchspeicheldrüse das Flossentier in eine butterzarte Delikatesse verwandelt. Die Fangzeit für Matjes ist von Mai bis Anfang Juni. Allerdings hat das "Silber des Meeres" das ganze Jahr über Saison. Der Fisch muss nur einmal während der Verarbeitung gefrostet werden. Taut man ihn wieder auf, reift er automatisch zu Ende. Deshalb sollte man Matjes immer am selben Tag genießen, an dem man ihn gekauft hat.

Die besten Matjes meines Lebens aß ich in Amsterdam anlässlich eines Jahresmeetings von Eurotoques, einem Zusammenschluss europäischer Spitzenköche. Da standen wir Gründungsmitglieder am Markt - von Paul Bocuse bis Pierre Romeyer (Belgien) - und verzehrten die frischen Fische direkt vom Schubkarren auf die Hand wie die Einheimischen: Man hält den Matjes kopfüber an der Schwanzflosse und verspeist ihn tapfer in mehreren Bissen. Dazu ein kühles Bier oder einen Aquavit.

Ich esse Matjes am liebsten pur. Ansonsten schmeckt er auch auf geröstetem Vollkornbrot, in einer Suppe aus Roten Rüben, als Cocktail mit Bobbybohnen mit Kren, Dill, Zwiebeln und Speck, als Tatar oder klassisch: nach Hausfrauenart. Wussten Sie übrigens wie der Name Matjes entstand? Traf ein holländischer Hering auf einen britischen und fragte: "Bist du matt?" Worauf der andere sagte: "Yes!"

Aus: freizeit-KURIER vom 7.5. 2011

Eckart Witzigmann widmet sich in seiner Kolumne im FREIZEIT-Kurier dem ganz (un)gewöhnlichen Küchen-Alltag.

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