Witzigmanns Welt: Kren

Witzigmanns Welt: Kren
Kulinarisch wie sprachlich ist die scharfe Wurzel tief in der österreichischen Seele verankert. Frisch gerieben setzt man mit ihr jedem Essen die Krone auf.

In der österreichischen Geschichte gibt es viele berühmte Paarungen: Sissy und Franzl, Mozart und Nannerl, Petzi und Fips - um nur einige zu nennen. Kulinarisch gesehen trieb die Liaison von Kren und Rindfleisch die köstlichsten Blüten: Semmelkren, Oberskren, Mandelkren, Mostkren, Suppenkren, Schnittlauchkren, Erdäpfelkren, Knoblauchkren, Apfelkren, Eierkren, grüner Kren. Mein Vater liebte jedoch nichts so sehr wie Kren in seiner simpelsten Form: frisch gerieben, mit Senf zu Frankfurter Würsteln oder zum Wurzelkarpfen.

Die scharfe Wurzel dieses bis zu 1 Meter 20 hohen Staudengewächses passt zu allem, was geräuchert ist und harmoniert hervorragend mit Fett. Mit Kren setzt man jedem Essen die Krone auf. Zu Aubergine-Zeiten kreierte mein damaliger Schüler Karl Ederer ein Gericht, von dem ich heute noch träume: Lachs mit Räucherlachs-Krenkruste auf Rieslingsauce. Und ein pochierter Steinbutt am Stück im Milch-Champignon-Sud mit brauner Butter und frisch geschabtem Kren ist für mich eine innere Tiefschneefahrt. Toll ist auch ein Rote-Beete-Risotto, dem ein bissl Kren zum Abschluss den gewissen Kick verleiht. Mein Tipp: Verwenden Sie frischen Kren. Zum Beispiel den "Steirischen Kren", der mittlerweile sogar ein geschütztes Warenzeichen ist.

Das Wort "Kren" selbst stammt vermutlich aus dem Slawischen und wurde bereits 1000 v. Chr. nach Westeuropa eingeführt. Kein Wunder, dass der Kren nicht nur kulinarisch, sondern auch sprachlich tief in der österreichischen Seele verwurzelt ist. Kostprobe gefällig? Wenn einer ein "gsunder Kren" ist, lässt er sich schamlos ausnutzen; und eine Frau, die "ihren Kren" hat, hat finanziell ausgesorgt. "Seinen Kren" dazuzugeben - also ungefragt seine Meinung zu äußern - war die Spezialität von Direktor Hofacker, meinem Chef während meiner Jungkochzeit im Grand Hotel Axelmannstein. Als er aber einmal eine Krensauce mit den Worten "desch muss kratza" kritisierte, antwortete Saucier Vielweib entschieden: "An dieser Sauce hätte selbst der große Walterspiel nichts auszusetzen gehabt." Daraufhin verließ Direktor Hochacker wortlos die Küche und dachte sich wahrscheinlich nur: Was für ein Kren-Reißer (= Wichtigtuer).

Aus: FREIZEIT-Kurier vom 09.01.2010
Eckart Witzigmann widmet sich in seiner Kolumne im FREIZEIT-Kurier dem ganz (un)gewöhnlichen Küchen-Alltag.

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