Witzigmanns Welt: Chinas Küchen

Witzigmanns Welt: Chinas Küchen
Von den vier kulinarischen Himmelsrichtungen, konfuzianischer Philosophie und gewöhnungsbedürftigen Genüssen.

Anlässlich der aktuellen EXPO in Schanghai musste ich wieder an meine China-Reise im Jahre 1983 denken. Zusammen mit sechs deutschen Küchenchefs begaben wir uns auf eine mehrwöchige "Esspedition" durch die Volksrepublik China und Hong Kong, damals noch britische Kronkolonie. Denn auch wenn der Begriff "Crossover" zu dieser Zeit ein Fremdwort war, wusste ich: Wir werden eine euro-asiatische Küche bekommen.

Vor Ort wurde mir klar: Die chinesische Küche existiert nicht. Anders als in Italien oder Frankreich, wo es eine nationale Grande Cuisine gibt, besteht die große chinesische Küche aus vier kulinarischen Himmelsrichtungen: der nudelige Norden (Peking), der luxuriöse Osten (Schanghai), der milde Süden (Kanton), der würzige Westen (Szechuan). In jeder Region wird ein anderer Kochstil gepflegt. Der einzige gemeinsame Nenner: die konfuzianische Philosophie des Yin und Yang. Chinesische Köche lieben Gegensätze wie kross-zart oder süß-sauer. Zugleich sind sie Meister im Nuancieren von Konsistenzen, Aromen und Farben. Bevorzugtes Produkt: Gemüse aller Art.

Während die Kollegen aus der Volksrepublik früher noch den europäischen Spitzenköchen über die Schulter schauten, gehen heute viele "Langnasen" bei den Küchenmeistern im neuen Reich der Mitte in die Lehre oder geben wie die chinesische Starköchin JinR umjubelte Gastspiele im Salzburger "Hangar-7".

Abschließend sei bemerkt: Wenn man über einen chinesischen Wochenmarkt streift, hilft es, kein Mitglied beim Tierschutzverein zu sein. Fische, Frösche, Katzen, Hunde, Affen, sogar Käuze werden da angeboten. Einmal aß ich gebratene Skorpione, ein andermal gekochte Schlange, die vor unseren Augen lebendig gehäutet worden war. Schmeckte ein bisschen wie Kaninchen. Als mir unsere Gastgeber Schlangengift in Reiswein als Gesundheitselixir servierten, musste ich jedoch passen. Da bleibe ich lieber bei der klassischen Hühnersuppe.

Aus: freizeit-KURIER vom 22. 05. 2010
Eckart Witzigmann widmet sich in seiner Kolumne im FREIZEIT-Kurier dem ganz (un)gewöhnlichen Küchen-Alltag.

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