Urzeit-Menü: Sie bissen alle ins Gras

Neandertaler, die kochten. Und Nussknacker, die trockenes Grün schätzten - was Zähne über unsere Vorfahren erzählen.

Es fehlt ein Menschenmagen, in dem sich wie durch ein Wunder Reste eines urzeitlichen Menüs erhalten haben. Es bräuchte einen Jahrhundertfund wie Ötzi, den Iceman, nur drei Millionen Jahre älter. Dann wüssten die Forscher, was bei den Vormenschen so auf dem Speiseplan stand.

Giraffe am Grill oder Früchte-Cocktail? Die Geschichte unserer Ur-Nahrung zu rekonstruieren, erfordert einiges an detektivischem Spürsinn. Was man heute weiß: Der Urzeit-Gaumen konnte einiges ertragen, abwechslungsreich war der Speiseplan aber allerweil.

Die Wienerin Stefanie Stelzer forscht am Max-Planck-Institut für evolutionäre Anthropologie in Leipzig, wo sie dem Australopithecus, einem Vorläufer des modernen Menschen auf den Zahn fühlt. Der Clou: Zerkaute Nahrung hinterlässt charakteristische Spuren am Zahnschmelz, die unter dem Mikroskop nachweisbar sind. "Harte und spröde Nahrung macht kleine Grübchen, während weiche, zähe Nahrung zu kratzerartigen Mustern führt." Die Forscherin hat aber auch das große Ganze im Auge. Im Laufe eines Lebens entstehen nämlich mit freiem Auge sichtbare Abnützungserscheinungen, die durch Kauen der Nahrung, und auch durch den Gebrauch der Zähne als Werkzeug entstehen.

Die Zähne der Inuit etwa, die das Leder vor der Verarbeitung kauen, um es geschmeidiger zu machen, sind besonders stark abgenützt. "Zähne dienten unseren Vorfahren als dritte Hand beim Abhäuten von Fleisch", sagt Stelzer. Ein Ende wurde dabei mit den Zähnen, das andere mit der Hand festgehalten. Die andere Hand schabte das Fleisch ab.

Isotopen-Mix

Unsere Pflanzennahrung hinterlässt aber nicht nur oberflächliche Spuren, sondern ist auch in den Zähnen und Knochen nachweisbar. Ob man aber das Gebiss eines Obstfans oder aber die Beißwerkzeuge eines Grasfressers vor sich hat, lässt sich anhand der Zusammensetzung der Isotopen (Varianten des Kohlenstoffs) nachweisen. Mehr als 75 Vertreter verschiedener Vor- und Frühmenschen wurden auf diese Weise bereits analysiert. Die Ergebnisse zeigen: Jede Art hatte andere Vorlieben, je nach ihrem Verbreitungsgebiet und den dort vorkommenden Tieren und Pflanzen. Ardipithecus ramidus, der vor mehr als 4 Millionen Jahren in Äthiopien auf Nahrungssuche unterwegs war, stillte seinen Hunger ähnlich wie die heutigen Schimpansen, mit Früchten und Blättern von Waldpflanzen. Eine Hilfe für Praktikerinnen wie Stelzer.

Die Anthropologin vergleicht den Zahnschmelz von Schimpansen aus dem Tai Forest an der westafrikanischen Elfenbeinküste mit Nahrungsspuren auf dem Gebiss der vor ca. einer Million Jahren ausgestorbenen Gattung Australopithecus aus Ostafrika. Australopithecus und auch der sogenannte Nussknackermensch (Paranthropus boisei, vor ca. 2,2-1,3 Mio. J.) - beide mit gewaltigen Kaumuskeln und riesigen Backenzähnen ausgestattet -, gaben der Forschung lange Rätsel auf. Trotz ihrer beeindruckenden Beißerchen dürften sie eine Vorliebe für Gras gehabt haben. Offenbar eignete sich der Nussknacker zu mehr als dem Zertrümmern hartschaliger Früchte, nämlich auch zum Zerkauen zäher Gräser.

Das Fazit der Wissenschaftler: Der Mensch war und ist anpassungsfähig . Ein ähnliches Kunststück schaffen heute die Elefanten, die sich mit den Kanten und großen Mahlflächen ihrer Backenzähne sowohl harte, trockene Äste als auch zarte Sprossen einverleiben.

Neandertaler-Trip: Exit Krapina

Ausflugstipp
Hinter dem slowenisch-kroatischen Grenzübergang Macelj, 60 Kilometer von Österreich entfernt, liegt Krapina. Hier befindet sich eine der wichtigsten Fundstellen von Steinzeitmenschen - Nachfahren jener Jäger und Sammler, die vor 600.000 Jahren ins zuvor menschenleere Mitteleuropa einwanderten. Aus ihnen entwickelten sich die Neandertaler, unsere Vorfahren.

Museumsbesuch

Der Eintritt in das neue Neandertalermuseum von Krapina kostet für Erwachsene 50 Kuna (7 €), Kinder, Studenten und Pensionisten zahlen die Hälfte.

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