Wie ein Österreicher Berlin einkocht

Sebastian und Ehefrau Jeannine Frank.
Sebastian Frank war "Newcomer des Jahres", heute krönen drei Hauben seine Küche im Berliner Restaurant Horváth.

Als Sebastian Frank 2008 den Gault&Millau-Preis "Newcomer des Jahres" gewann, arbeitete er im Tiroler Hotel Interalpen und träumte von der weiten Welt der französischen Haute Cuisine. Schlussendlich wurde es "nur" ein Szene-Beisl in Berlin-Kreuzberg, aber das hat es in sich.

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Seinen ersten Arbeitstag im Horváth wird Frank nie vergessen. Es war der 1. Mai 2010, als die Chefin Alarm schlug und alle Mitarbeiter die Sessel und Tische aus dem Gastgarten tragen mussten. Die "Autonomen" waren im Anmarsch und verwendeten alles als Wurfgeschoße gegen die Polizei. Für Berliner nichts Außergewöhnliches – die 1. Mai-Demos samt Ausschreitungen haben Tradition. "Für mich war das ein echter Kulturschock. Ich hatte die Jahre davor in der idyllischen Tiroler Bergwelt gelebt, Berlin-Kreuzberg war wie ein anderer Planet für mich", erinnert sich Frank.

Heute gehört ihm mit seiner Berliner Frau Jeannine das Lokal, das seit zwei Jahren mit drei Gault&Millau-Hauben ausgezeichnet ist. Die Location ist für ein Top-Restaurant immer noch ungewöhnlich. Viele Gäste schätzen aber die besondere Lage und das Understatement bei der Einrichtung.

Adresse mit Geschichte

Zur Historie des Lokals: 1969 flüchtete der Wiener Aktionist Ossi Wiener vor der Justiz nach Berlin. Ein Verfahren wegen Gotteslästerung war anhängig. Im Berliner Exil eröffnete er in Kreuzberg sein eigenes "Exil". Das Lokal etablierte sich als Treffpunkt der alternativen Kulturszene. Künstler wie David Bowie, Peter Stein oder Rainer Werner Fassbinder zählten zu den Stammgästen.

1986 verkaufte Wiener (übrigens der Vater von Sara Wiener) das Lokal, das bis zur Jahrtausendwende als belangloses italienisches Ristorante geführt wurde. Dann übernahmen es die österreichischen Gastronomen Edith Berlinger und Dietmar Schweitzer, tauften es in Anlehnung an den Dichter Ödon von Horváth und hauchten ihm eine rot-weiß-rote Identität ein. Der dritte Österreicher an Bord war Küchenchef Wolfgang Müller, der in dem Beisl derartig gut kochte, dass es bald mit zwei Gault&Millau-Hauben ausgezeichnet wurde. 2010 verließ Müller überraschend Berlin. Berlinger und Schweitzer mussten sich nach einem neuen Koch umschauen. "Über die Vermittlung eines Freundes kam Sebastian Frank zu uns. Die Chemie hat auf Anhieb gepasst", erzählt Berlinger.

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Der gebürtige Mödlinger Frank hat nach seiner Ausbildung im Hotel Wende in Neusiedl in einigen Top-Betrieben in Wien (Vestibül, Steirereck) gearbeitet, bevor er zu Drei-Hauben-Koch Christoph Zangerl ins noble "Interalpen" nach Tirol wechselte. 2008 bewarb sich der damals 27-Jährige für den von Gault&Millau ausgeschriebenen Wettbewerb "Newcomer des Jahres", den er auf Anhieb gewann. Damals kündigte er an, dass er nach Frankreich gehen wolle, um Auslandserfahrung zu sammeln. Es kam anders – auch, weil er ein Auge auf die junge Berlinerin Jeannine Kessler geworfen hatte, die im Interalpen im Service arbeitete.

Die Liebe blieb nicht unerwidert. Nach zwei weiteren Saisonen versuchten die beiden ihr Glück in Jeannines Heimatstadt Berlin. Frank hatte ein vages Angebot im Hotel Adlon in Aussicht, entschied sich jedoch fürs Horváth. Es folgte ein fulminanter Aufstieg: Auf Anhieb bekam er zwei Hauben, 2012 folgte die dritte. Die typisch österreichischen Gerichte rückten immer mehr in den Hintergrund, dafür nahm die Nachfrage nach dem kreativen Menü ständig zu.

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Vergangenes Jahr boten ihm Edith Berlinger und Dietmar Schweitzer an, das Horváth zu übernehmen. Sebastian und Jeannine – mittlerweile verheiratet und Eltern eines Kindes – sagten zu und eröffneten 2014 das Horváth neu. Frank lädt die Gäste zu laufend wechselnden Menüs ein, dessen Länge man selbst bestimmt. Zwischen vier und zehn Gänge stehen zur Auswahl.

"Wiener Panier"

Österreichische Anspielungen wie "Grüner Salat, Dotter, "Wiener Panier", Eierschwammerln statt Pfifferlingen, steirisches Kernöl findet man immer wieder. Typisch österreichische Gerichte hingegen nicht. Wie österreichisch ist das Horvath noch? Frank: "Ich bin in Österreich aufgewachsen und habe ausschließlich in österreichischen Restaurants Kochen gelernt. Ich glaube, das schmeckt man bei meinen Gerichten. Ausflüge in exotische Gefilde gibt es bei mir nicht. Wäre ich in Österreich geblieben, würde ich ganz ähnlich kochen. Und das Angebot an Grundprodukten – Gemüse, Fisch und Fleisch – ist hier auch nicht viel anders als daheim. Eine kulinarische Tradition zu pflegen, bedeutet ja nicht, dass man genauso kocht, wie die Generationen vor einem".

Info

Horváth, 10999 Berlin-Kreuzberg, Paul-Lincke-Ufer 44, 0049 / 30 / 6128 99 92. www.restaurant-horvath.de

Welche Küchenchefs werden uns in den nächsten Jahren beeindrucken? Wer hat das Zeug, in die Fußstapfen der heutigen Star-Köche zu treten?Die Nachwuchsförderung von Gault Millau geht somit in eine neue Runde. Mit „Junge Köche Österreich“ sucht das Unternehmen Zepter International, dessen Kochtöpfe mehrfach ausgezeichnet wurden, in Kooperation mit Gault Millau den Newcomer 2014.

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Der Rahmen und das Preisgeld sind außergewöhnlich. Die Vision von Madlena und Philip Zepter, den Gründern und Eigentümern von Zepter International , ist es ein Anliegen, „Menschen ein gesünderes, nachhaltiges und besseres Leben durch neue Entwicklungen und Technologien in vielen Lebensbereichen“ anzubieten.

Die Vorauswahl der vier Finalisten fand bei einem der vier Vier-Hauben-Köche Österreichs statt. Das große Finale steigt am 21. Oktober im Palais Ferstel in Wien, wo die vier Finalisten live um den Titel kämpfen. Der Sieg ist mit einem von Zepter International zur Verfügung gestellten Preisgeld von 10.000 Euro dotiert. Als Mentoren fungieren alle Vier-Hauben-Köche unseres Landes, die jeweils einen der Finalisten nominierten.
Heinz Reitbauer (Steirereck, Wien) schickt Tobias Wussler (Sous-Chef Landhaus Bacher) ins Rennen, auf den er große Stücke hält: „Wussler kocht modern und weiß, intensive Aromen geschmacksicher einzusetzen.“

Bei Simon Taxacher (Restaurant Taxacher, Kirchberg) gewann der Vorarlberger Kevin Micheli (Johann Lafer’s Stromburg, D), der ihn mit exaktem Arbeiten überzeugte: „Man merkt, dass Micheli in Top-Häusern gelernt hat. Seine Performance war absolut souverän, seine Produktkenntnisse sind bemerkenswert.“

Alain Weißgerber und Walter Eselböck (Taubenkobel, Schützen) nominierten David Daniel (Villa Vitalis, Aspach), der die beiden mit seinem Enthusiasmus und viel Akribie überzeugte.

Für Karl und Rudi Obauer war Stefan Sigl (Restaurant Simon Taxacher, Kirchberg) der beste Kandidat: „Er hat das, was man für eine große Karriere in der Küche mitbringen muss: Kreativität gepaart mit Ausdauer und Biss.“
Die Juroren beim Finale sind die Top-Köche Thomas Dorfer, Silvio Nickol, Andreas Döllerer, Alexander Fankhauser, Gerhard Fuchs, Lisl Wagner-Bacher sowie Johann Lafer. www.gaultmillau.at

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