Gault Millaus Beste bei den Nachbarn
Mit dem Gourmet-Führer durch die Nachbarländer zu reisen liegt im Trend - gerade dort gilt es nicht nur die herzliche Kultur zu entdecken, sondern auch die k. u. k.-Gerichte unserer Großmütter und Ur-Großmütter. Etwas verspätet brechen auch hier Traditionen auf, die schwere Küche aus früheren Zeiten lässt einen Hauch internationaler Leichtigkeit herein. Kulinarisch winkt also viel Neues.
Kroatien: Istrien bietet weitaus mehr als Ćevapčići
Schmorgerichte, Wildkräuter, Steinpilze, Trüffel und mediterrane Köstlichkeiten - an der Adria-Küste kommt das auf den Grill, unter die Asche, in die Pfanne und ins Backrohr, was gerade draußen springt, sprießt oder schwimmt. Die Kroaten haben weitaus mehr zu bieten als Cevapcici und Pljeskavica: Die kulinarische Landschaft verändert sich historisch gewachsen vom Norden nach Süden und vom Osten nach Westen.
Video von der Gault Millau 2012-Präsentation
In idyllischen Terrassengärtchen und auf gediegenen Pooldecks werden feinste Gerichte kredenzt - Küstenflair inklusive. Beachtung haben vor allem auch die ausgezeichneten istrischen Weine verdient.
Slowenien: Moderne Küche mit dreierlei Einflüssen
Heuer haben sich die Gault-Millau-Tester erstmals durch Slowenien gekostet - und stießen von Maribor über Ljubljana bis nach Portoroz auf etliche Geschmackserlebnisse.
Die Küche Sloweniens wird von der österreichischen, der italienischen und der ungarischen Küche beeinflusst. Diese Einflüsse sind je nach Region unterschiedlich stark ausgeprägt. An der Küste Sloweniens dominieren etwa die Italiener mit Kreationen aus Fisch, Risotto, Meeresfrüchten oder Pasta. In der pannonischen Region wird es deutlich ungarisch - hier gibt es Fischsuppe, Golaz und Paprikas. Im Norden kommt hingegen der österreichische Einfluss zum Tragen - mit Braten, Mehlspeisen und Strudel.
Das "JB" führt beim ersten Slowenien-Ranking der Gault-Millau-Tester. Das Jugendstil-Restaurant gilt mit Gerichten wie Carpaccio vom Schweinsohr oder im Speck gebratenen Schnecken als Genusstempel der modernen slowenischen Küche (Hauptspeisen ab 15 Euro).
Bratislava: Wenig Mut zu heimischen Gerichten
Der historische Kern der slowakischen Hauptstadt bietet genießerisch allerlei Luxus, aber leider auch viele Enttäuschungen. Dementsprechend klein ist die Auswahl der besten Lokale. In spektakulären Locations wird chice internationale Küche geboten - die Gault-Millau-Tester vermissten jedoch allzu oft den slowakischen Einfluss. Die heimische Küche stellt nämlich traditionell einen Mix aus den Nachbarländern dar - Tschechien, Polen, Ungarn, Österreich und Ukraine. Doch aus diesem europäischen Topf haben sich trotzdem spezifische Rezepte der slowakischen Küche entwickelt. Am ehesten ähnelt diese der tschechischen Küche - sie unterscheidet sich jedoch durch die häufigere Verwendung von Gewürzen, was wiederum an die ungarische Küche erinnert. Zu den Nationalgerichten der Slowakei zählen die Brimsennockerln (Bryndzove halusky) und die bekannten Teigtaschen Pirohy.
Budapest: Altbewährte Rezepte, neu überdacht
In den vergangenen Jahren gab es ein großes Erwachen in unserer Gastronomie", erklärt der ungarische Gourmet-Kritiker Andras Jokuti. "Es gibt jetzt eine neu überdachte, modernisierte Form der altbewährten ungarischen Küche." Das Ziel sei es, den Geschmack zu erhalten, aber die Speisen leichter verdaulich zu machen. "Unsere traditionellen Gerichte sind einfach zu schwer - Schmalz hat im Jahr 2011 nichts mehr in der Küche zu suchen."
Dank der Gault-Millau-Tester kann auch zwischen Touristenfallen und Feinschmeckerlokalen unterschieden werden. Besonders stolz sind die Ungarn etwa auf die 18 Punkte für das "Costes" (Hauptspeisen ab 8 Euro) - der portugiesische Koch bemüht sich, auch die ungarische Küche vermehrt einzubringen. Sehenswert und vor allem eine Kostprobe wert ist das "Babel": "Die Fischsuppe zum Beispiel bringt die gleichen Geschmäcker wie das Original, aber in einer viel eleganteren, verfeinerten Form", schwärmen die Tester.
Prag: Neuinterpretationen mit internationalem Hauch
In Prag auf wirklich hohem Niveau zu essen, ist noch immer kein leichtes Unterfangen", stellen die Gault-Millau-Tester in diesem Jahr fest.
Entlang der Moldau gibt es jedoch mehr als die typisch schwere, böhmische Küche mit Ente, Knödel und Powidltascherl. Die handwerklich solide Küche hat sich der Internationalität und der Schmackhaftigkeit verschrieben. Im Haubenlokal wird Tradition neu interpretiert, um mehr Leichtigkeit in die Gerichte zu bringen - häufig finden sich auch internationale Einflüsse aus Italien oder Frankreich - sowohl das Ambiente betreffend als auch die Speisen. So bietet das "Allegro" etwa hochmoderne italienische Küche mit dezenten böhmischen Anklängen (Hauptspeisen ab 17 Euro) . Im "La Degustation Bohême Bourgeoise" quotierten die Tester einen "grandiosen Querschnitt der modernen internationalen Küche" - der allerdings nicht gerade preisgünstig ist.
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