Gault & Millau: Ein Nektar ist Fruchtsaft des Jahres
Handwerklich hergestellte Säfte und Nektare aus heimischem Anbau sind hochwertige Spezialitäten, die leider allzu oft unter ihrem Wert geschlagen werden. Sie haben nicht das Image von feinen Weinen und müssen sich – zumindest in der Wahrnehmung mancher Konsumenten – mit Packerlsäften im Supermarkt vergleichen lassen, die klarerweise deutlich billiger sind.
Saftparadies Österreich
Dabei ist Österreich eigentlich ein Saftparadies, wie auch die heurige "Gault & Millau"-Verkostung zur Kür des Fruchtsaftes des Jahres eindrucksvoll unterstrichen hat. Gewonnen hat der Weichselnektar der Familie Singer aus der Oststeiermark. Doch wie kann es sein, dass ein Nektar zum Saft des Jahres gewählt wird? Und was ist eigentlich der Unterschied zwischen einem Saft und einem Nektar?
Ein Saft, der keiner ist
Wo Saft drauf steht, darf laut heimischem Lebensmittelrecht ausschließlich der gepresste Saft von Früchten drinnen sein. Daher sind fast alle industriell gefertigten "Packerlsäfte" auch keine Säfte, sondern Nektare (mit zum Teil immens hohen Zuckerwerten). Die Bezeichnung Nektar erlaubt den Zusatz von Zucker, Wasser und Säuerungsmitteln. Doch was wie Verfälschung klingt – und in manchen Fällen auch ist – ist bei bestimmten Früchten wie Erdbeere, Zwetschke oder eben Weichsel unverzichtbar, weil man diese nicht einfach pressen kann.
Bei der Weichsel werden die Früchte zuerst entkernt und dann zu einer dickflüssigen Masse verarbeitet, bevor sie mit Wasser und etwas Zucker zu einem wohlschmeckenden Nektar gemischt werden. Um ein möglichst gutes Aroma zu erzielen, ist die Wahl des richtigen Erntezeitpunkts entscheidend.
Natürlich - aber dem Wetter ausgeliefert
Heuer ist das der Familie Singer leider nicht gelungen, weil es schlichtweg keine Weichselernte gab. "Die Klimaverschiebung macht uns Obstbauern wirklich zu schaffen. Im Jänner und Februar ist es oft viel zu warm. Dafür kommt dann – so wie heuer – im April ein schwerer Frost, der die Blüte zerstört", klagt Josef Singer. Aber so ist das nun einmal mit Naturprodukten aus dem eigenen Garten. Zwar sind nicht alle Obstsorten gleichermaßen betroffen, aber für die Kundenpflege ist es schwierig, ein ausgezeichnetes Produkt wie etwa den Weichselnektar nächstes Jahr nicht im Sortiment zu haben.
Dennoch haben sich Josef Singer Jr. und seine Lebensgefährtin Viktoria Schweighofer entschlossen, den Betrieb fortzuführen. Zum einen ist es eine befriedigende Aufgabe, mit den eigenen Händen ehrliche Produkte zu schaffen, die anderen Menschen Freude bereiten. Zum anderen sehen Josef Singer Jr. und seine Partnerin durchaus die Möglichkeit, auch in Zukunft die eigene Familie vom Obstbau zu ernähren.
In ihren Obstgärten stehen 13 verschiedene Äpfel- und sechs Birnensorten. Dazu kommen noch Kirsch- und Weichselbäume sowie verschiedene Beeren. Diese verarbeiten sie zu Edelbränden, Mosten, Essigen sowie Säften und Nektaren.
Gastro & Bauernläden
Für eine landesweite Listung in Supermärkten ist die Produktion der Singers wesentlich zu klein. Außerdem könnten sie von Preisen, wie sie für industriell hergestellte Säfte bezahlt werden, nicht leben.
Neben einem kleinen Ab-Hof-Verkauf und regionalen Spezialitätengeschäften wie dem Bauernladen in Pöllau zählen vor allem die umliegenden Gasthäuser zu den wichtigsten Abnehmern.
"Die Wirte schätzen die Qualität unserer Säfte und Nektare und sind in der Lage, dies ihren Gästen zu vermitteln. Auch der Trend hin zu einem bewussten Umgang mit Alkohol kommt unseren Säften zugute. Hochwertige Säfte schmecken schließlich nicht nur Kindern gut", weiß Josef Singer.Dieser Artikel ist in Kooperation mit Gault & Millau entstanden.
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