Die Welt sieht einer Koreanerin beim Essen zu

Die Welt sieht einer Koreanerin beim Essen zu
Die Social Media-Gemeinde hat sich einen neuen Trend ausgedacht: Videos von essenden Asiatinnen.

Man ist was man isst" – die Aussage des Philosophen Ludwig Feuerbach ist heute aktueller denn je. Mehr noch: Via Social Media sehen wir nun auch, was wir essen. Fette Burger, zuckersüße Cupcakes oder bunte Salate, im Web 2.0 wird das Essen nicht nur auf den Tisch, sondern auch auf der Pinnwand der Freunde serviert. Ganz neu im trendigen Angebot von Web 2.0 ist Mok Bang. Herüber geschwappt, wie kann es anders sein, aus Korea, dem Land der kuriosen Online-Trends. Via Video-Streaming essen Menschen (oft junge Asiatinnen) vor der laufenden Kamera. Warum? So genau wissen das wohl nicht einmal die erfolgreichsten Mok Banger, die im Monat bis zu 7000 Euro dafür bekommen, sich von einer großen Internetgemeinde beim Essen beobachten zu lassen.

Als Erklärung nennen viele die hohe Single-Rate. Alleine speisen will keiner mehr, darum wird zur abendlichen Essenszeit der Stream eines Mok-Bangers eingeschaltet. Der Wiener Psychologe Roman Braun erkennt auch noch ein weiteres Motiv: Selbstausdruck. "Durch das Extreme erhält man noch mehr Aufmerksamkeit und ist noch fixerer Bestandteil des Online-Rudels. Ganz nach dem Motto: Ich bin ein Freak, behaltet mich." Als Mikrokultur, also ein Hype der sich unfassbar schnell entwickelt und genauso schnell wieder verschwindet, rechnet Roman Braun dem Mok Bangen jedoch keine lange Überlebenszeit zu.

Futterneid mal anders

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Doch warum sind wir so bedacht darauf, dass jeder unser zubereitetes Mahl im Netz bewundern kann? "Generell ist man auf Social Media entweder brav und man isst gesund, schlimm und man isst ungesund oder kreativ und man zeigt seine künstlerische Ader." Außerdem erkennt er eine moralisierende Tendenz: "Oft sind es Fotos von besonders gesunden Speisen. Der Poster zeigt Bewusstsein. Es steckt aber auch eine Anklage dahinter. Es ist ein Vorwurf an all jene, die das nicht so machen."

Dem Essensteilen via Web 2.0 schreibt er aber vor allem einer Motivation zu, die der Selbstinszenierung: "Man inszeniert sich selbst, kommuniziert, dass man dazugehört, dass man selbst funktioniert." Und auch die nach oben zeigenden Däumchen spielen, wenn auch unbewusst, eine große Rolle. "Likes tun nämlich dem Ego gut. Eine Studie zeigt, dass der Körper bei zehn Gefällt-mir so viele Glückshormone ausschüttet, wie bei einem guten Kuss." Aha, dann sind wir im 21. Jahrhundert wohl doch wieder auf der Jagd – auf der Jagd nach Likes.

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Auf dem Weg zur Selbstbestätigung tritt man permanent in einen Wettkampf mit seineneigenen Kochkünsten: "Es geht primär nicht darum, andere Poster zu übertrumpfen", meint Braun. "Jeder will sich individuell ausdrücken, inszenieren und spezialisieren. Menschen lieben es, etwas fertiggemacht zu haben. Bringt man was zu Ende, ist man tief befriedigt. Dieses Phänomen erklärt auch die Food-o-graphen."

Vier Typen

Laut den Ausführungen von Braun gibt es vier Typen von Food-o-graphen. Neben dem coolen Typen, der die Riesenpizza mit extra viel Käse postet, und dessen Freundin B mit einem kunstvollen Cupcake auf Facebook prahlt, gibt es auch die gesunden Typen. Jene Art von Freunden, die beinahe täglich zarte Salate und leichte Dressings posten und das eigene schlechte Gewissen kalorienzählend auf Dauertrab halten. Hinzu kommen jene Vertreter, an denen ein Meisterkoch verloren gegangen ist. Tartes, Soufflés und perfekt gebratene Steaks zwingen unser Koch-Ego in die Knie. Eben noch stolz, dass die Spiegeleier nicht zerlaufen sind, postet Freund C: Blanchiertes Ei auf Trüffelgemüse.

Genau aus dieser Motivation heraus entwickelte sich der vierte Food-Porn-Typ: Die Markensau. Beim fotografierten Essen vom Nobelitaliener geht es um den Status. "Menschen, die diese Fotos posten, wollen ihren Selbstwert pushen, das zeigt sich auch an den Ortsangaben, die sie immer dazuschreiben. Ein Foto vom Steak in einem edlen Restaurant ist so wie ein Foto vom neuen Porsche", weiß der NLP-Trainer. Als intellektuellen Diebstahl, wie viele Köche das Fotografieren ihrer Speisen bezeichnen, sieht das Roman Braun nicht: "Porsche regt sich doch auch nicht auf, wenn ich ein Foto von meinem neuen Auto mache."

Schlüpfrige Namensgebung

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Klingt Food-Porn zunächst nach einer außergewöhnlichen sexuellen Vorliebe, so ist der Name bei der zweiten Betrachtung recht treffend. Manchmal sieht das Bild unwiderstehlich aus (der Schokokuchen), manchmal auch nur extrem geil (der fette Riesenburger) – am Ende doch nur visuelle Reize. Der knurrende Magen bleibt.
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