Die Essens-Verschwender
Jeder fünfte Einkauf wandert vom Körberl direkt in den Müll - ein Teil davon komplett unberührt. "Bei dem Gedanken kann einem schlecht werden. Es ist ja nicht nur schade, wenn das Zeug im Müll landet. Wir schütteln ja auch nicht das Geld vom Baum", erklärt die TV-Moderatorin Christa Kummer anlässlich eines Kochworkshops der Save-Food-Initiative von Toppits. "Manche haben Übergewicht und schmeißen das Geld zum Fenster raus, andere wissen nicht, wie sie ihren Magen voll bekommen sollen - auch in Österreich."
Doch man kann auch einiges mit Dingen anstellen, die schon etwas "schrumpelig" sind, zeigt TV-Koch Andreas Studer: "Es geht darum, den Respekt vor Lebensmitteln zu fördern und sich darüber Gedanken zu machen, wo das Essen herkommt. Auch aus einer braunen Banane lässt sich noch was Leckeres machen."
Mit dem Thema Lebensmittelverschwendung beschäftigt sich auch die Dokumentation "Taste the Waste" von Valentin Thurn, die am Freitag in den österreichischen Kinos anläuft. Bei seinen Recherchen in Europa, aber auch in Kamerun und den Vereinigten Staaten fand er heraus: 50 Prozent aller Lebensmittel werden weggeworfen: Jeder zweite Kopfsalat, jede zweite Kartoffel und jedes fünfte Brot. Das meiste davon endet im Müll, bevor es überhaupt den Verbraucher erreicht. Warum?
Die Supermärkte bieten durchgehend die ganze Warenpalette an. Bis spätabends muss das Brot in den Regalen frisch sein, zu jeder Jahreszeit gibt es Erdbeeren. Und alles muss perfekt wirken.
Zum weltweit am besten untersuchten Müll gehört der österreichische (siehe Grafik oben) . Verantwortlich dafür ist Felicitas Schneider vom Institut für Abfallwirtschaft. "Wenn ich überlege, wie ich selbst als Konsument im Supermarkt agiere, dann erwische ich mich auch dabei, wie ich sage: 'Den Apfel mit der Druckstelle soll ein anderer kaufen.' Hier kann jeder bei sich selbst hinterfragen, wie sinnvoll unsere eigenen Ansprüche sind."
Als Protest gegen die Verschwendung von Lebensmitteln hat sich sogar eine eigene Szene von sogenannten Mülltauchern entwickelt - sie ernähren sich vorwiegend von aussortierten Lebensmitteln aus Supermarktcontainern. Nicht, weil sie sich sonst nichts anderes leisten könnten, sondern als politisch motivierte Konsumverweigerung.
Vereine wie die Wiener Tafel oder die Sozialmärkte, die regen Zulauf haben, kümmern sich hingegen tagtäglich darum, dass überschüssige Lebensmittel eingesammelt werden und armutsbetroffenen Menschen zu Gute kommen.
Doch auch jeder Konsument selbst kann dazu beitragen die Verschwendung von Lebensmitteln einzuschränken - und sei es, indem die Reste vom Abendessen am nächsten Tag als Mittagsjause mitgenommen werden.
Und so zeigt TV-Koch Studer bei seinem Workshop vor, wie sich aus einem abgelaufenen Pizzateig, trockenem Spargel, etwas Crème fraîche und Tiefkühl-Lachs noch ein schmackhaftes Gericht zaubern lässt. "Selbst aus dem weggeschnittenen, holzigen Teil vom Spargel lässt sich noch eine Suppe oder ein Fond machen!"
Interview: "Jeder kann zur Lösung beitragen"
Valentin Thurn ist der Regisseur der Dokumentation "Taste the Waste", die am Freitag im Kino startet. Wie er selbst schon von Müll lebte und warum sein Film nachdenklich macht.
KURIER: Wann ist Ihnen der Wegwerfwahn unserer Gesellschaft zum ersten Mal aufgefallen?
Valentin Thurn: Schon vor 30 Jahren - bei einer Fahrradtour mit einem Freund durch England ging uns eines Tages das Geld aus. Wir haben uns dann die verbleibenden neun Tage in London von dem Obst und Gemüse ernährt, das ein Großmarkt aussortierte - den Tipp hatte ich von einem Obdachlosen bekommen, der in den Docks lebte, wo wir unser Zelt aufgeschlagen hatten.
Was macht das Thema dieser Dokumentation so besonders?
Es ist ja irgendwie jeder beteiligt und daher kann auch jeder etwas zur Lösung beitragen. Der Zuschauer steht also nicht einfach nur hilflos vor einer festgefügten Gegebenheit. Sondern er kann sie verändern, und zwar ohne Verlust an seiner Lebensqualität. Ich habe festgestellt, dass alle sehr nachdenklich werden, beispielsweise in unserem Filmteam. Auch mein eigenes Einkaufsverhalten ist anders geworden.
Welche Reaktionen und Auswirkungen hat der Film nach sich gezogen?
Es gibt zahlreiche Anfragen nach einer Zusammenarbeit, das ist ganz erstaunlich. Viele Organisationen möchten den Film zeigen. Auch die Kirchen tun viel zum Thema Bewahrung der Schöpfung und Gerechtigkeit in der Welt. Sie können den Film beispielsweise zum Erntedankfest oder zur Fastenzeit einsetzen.
Buchtipp: "Die Essensvernichter" von Stefan Kreutzberger und Valentin Thurn. Kiepenheuer & Witsch, 17,50€.
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