Die dunkle Versuchung
Betreten Kaffeeliebhaber den kleinen Laden in der Schleifmühlgasse, setzt das bereits erste Endorphine frei. Durch den Raum zieht ein aromatischer Duft, der einen sanft einlullt, wäre da nicht die imposante Geräuschkulisse des Herzstückes der Rösterei, das alle Aufmerksamkeit auf sich zieht – und diese auch verdient. Seit dreizehn Jahren dreht die Röstmaschine im "Alt Wien Kaffee" ihre Runden und bringt Bohnen aus Brasilien, Nicaragua oder Indonesien bei rund 220 Grad ins Schwitzen. "Wir haben hier etwa 30 Sorten frisch gerösteten Kaffee", erklärt Geschäftsführer Christian Schrödl. Seine Liebe zum Getränk hat der ehemalige Anzeigenleiter entdeckt, als seine Stammrösterei in der Belvederegasse zusperrte. Weil er auf die gewohnte Qualität nicht verzichten wollte, entschloss er sich, kurzerhand selbst eine Rösterei zu eröffnen.
Im Laufe der Zeit reiften Erfahrung, Sortenvielfalt und Aromen. Immerhin sind es bis zu 800, die durch die Länge und Dauer des Erhitzens freigesetzt werden. "Man muss dem Kaffee seinen Charakter, seinen Säure-Ton lassen und trotzdem auch den Körper, das Schokoladige oder Nussige, herausbringen", weiß der Experte. Und auch, dass der Wiener eine herb-rauchige, erdige Note, den italienischen Touch also, bevorzugt. Deshalb zählt der "Caruso" mit kräftig-harmonischem Körper und seinen Aromen von Kakao und Haselnüssen zu den beliebtesten Sorten. Wer etwas tiefer in die Tasche greift, kann sich mit dem "Mount Everest Supreme" an einer Rarität von den Ausläufern der Ganesh Himal-Gebirgskette erfreuen.
Aromen von Kakao, kandierten Orangenschalen, Ingwer und Schwarztee inklusive. Der "Blue Mountain" aus Jamaika hingegen zählt zu den besten Kaffeesorten der Welt und besticht durch einen balancierten Körper und besonders harmonische Säuren, während der "Lacu-ten" aus Osttimor prickelnde Schokolade- und Rohrzucker-Aromen vereint und nur auf Bestellung erhältlich ist. Rund dreißig andere Sorten sind dafür täglich frisch auf Lager, wovon rund ein Drittel gleich vor Ort ab 1,60 Euro verkostet werden kann.
Ein paar Treppen aufwärts befindet sich im hinteren Teil des Ladens eine kleine Bar. In dem Regal wurde eine Reihe Kaffeeautomaten platziert, die täglich auf ihren Einsatz warten. Auch der Chef genießt hier, schluckweise. Nicht selten denkt er dabei an die Zeit vor dreizehn Jahren, als hier alles begann, und an das schönste Kompliment, das ihm eine alte Dame gleich im ersten Jahr gemacht hat. Als er sie bei ihrem zweiten Besuch fragte, wie ihr denn der Kaffee geschmeckt hätte, antwortete sie mit einem breiten Lächeln im Gesicht: "Wie früher."
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