Der Ur-Wein ist auf Höhenflug

Austria / Vienna / Weinberge in der naehe des roten Hauses @Philipp Horak fuer Mayer am Pfarrplatz
Seit einigen Jahren wird der Klassiker zum Aushängeschild. Dabei ist er nicht neu

Die Wiederentdeckung von Bewährtem ist in Mode. So wurde aus Wandern plötzlich Trekking, aus Hallenbad und Sauna wurde Wellness. Die Großfamilie ist als Mehrgenerationenwohnen wieder was wert. Und in Wien wurde aus dem ursprünglichsten aller Weine der – wow! – gefeierte „G’mischte Satz“. Seitdem ist der spezielle Weißwein in aller Munde.

Trotzdem wissen viele nicht, was sich genau dahinter verbirgt: verschiedene Rebsorten in einem Weingarten. Im Gegensatz zum Cuvee, in dem fertige, sortenreine Weine gemischt werden, werden beim G’mischten Satz unterschiedliche Trauben zusammengelesen, gepresst und vergoren. Dadurch ergibt sich eine Mischung von Aromen und Reifegraden – mal sticht eine Sorte mehr heraus, dann eine andere.

Ein Grund für den derzeitigen Hype um den G’mischten Satz ist natürlich die Tatsache, dass er nach Wien passt, in das Stadt-gewordene Klischee der ewigen Melange an Völkern, Speisen und Sprachen. Jene Stadt, die als einzige der Welt nenneswerte Weinbauflächen hat – 700 Hektar. Rund zehn Prozent davon sind eben „g’mischt ausgesetzt“.

Der Ur-Wein ist auf Höhenflug
Der Schmäh, dass dieser Wein sogar hier erfunden wurde, geht trotzdem nicht auf, sagt auch Winzer Hans Schmid: „Den G’mischten Satz hat niemand erfunden. Der war immer schon da.“ Schmid ist Eigentümer des Traditions-Heurigen und der Weingüter Mayer am Pfarrplatz und Rotes Haus, außerdem mit 57 Hektar Rebfläche Wiens größter Privatwinzer. Gerhard Lobner, Geschäftsführer beider Güter, legt nach: „Es ist der Urwein. Um den erfunden zu haben, sind sogar wir mit unserem Gründungsjahr 1683 zu jung.“ Für Lobner ist der G’mischte Satz ein besonderer Wein: „Der Winzer kann sich spielen. Schon in der Sortenwahl. Das macht die Freude am G’mischten Satz aus.“ Zwar gibt es einige Regeln bezüglich des Mischverhältnisses, aber keine bezüglich der Sortenauswahl (siehe Kasten). „Man kann eine eigene Philosophie entwickeln.“

Runter vom Traktor

Andererseits ist auch die Arbeit im Weingarten beim G’mischten Satz anders, intuitiver. „Es sind ja unterschiedliche Sorten, da hat man bei der Lese immer überreife, anreife und am Punkt reife Trauben beisammen. Da ist es sinnlos, über physiologische Reife zu reden, also den perfekten Einklang aller Parameter.“ Man kehre vielmehr zu Erfahrungswerten alter Weinbauern zurück. „Man steigt wieder vom Traktor runter, wie die Winzer früher. Die waren die besseren Beobachter.“

Mit den Mayer-Weinen setzen Schmid und Lobner die Philosophie des legendären Weinmachers Franz Mayer fort, von dem Schmid das Gut übernahm. Lobner: „Die G’mischten Sätze vom Mayer am Pfarrplatz bestehen aus acht bis zwölf Rebsorten, 40 Prozent machen Welschriesling, Neuburger und Traminer aus. Dazu kommen Grüner Veltliner, Riesling, aber auch Zierfandler und Rotgipfler.“ Das sind Wien-untypische Sorten. „Aber die geben dem Wein einen gewissen Kick.“ Die gehobenen G’mischten Sätze vom „Roten Haus“ beinhalten vor allem Weiß- und Grauburgunder, Neuburger, Chardonnay und Traminer. „Die sind sehr burgunderdominiert, das schmeckt man auch.“ Die Kombination, den ursprünglichen Wein in Lagen auszubauen, also in hoher Qualität, ist die neue Philosophie beim G’mischten Satz.

Genau das wollten die Winzer auch erreichen, die sich 2006 auf Initiative der Stadt Wien, selbst der größte Weinbauer, zu „Wien-Wein“ zusammenschlossen. Qualität steigern, Vermarktung für Wein aus Wien verbessern. Auf ihre Initiative wurde 2010 der „Wiener G’mischte Satz“ reglementiert: mindestens drei Sorten im Weingarten, keine stärker als 50 Prozent, die dritte noch immer mindestens 10. Das Konzept ging auf, der bewährte Wein strahlt in neuem Licht. Wird exportiert und steht wieder auf den Weinkarten ganz oben.

Auch, weil der G’mischte Satz eine Sehnsucht erfüllt: Weingenuss statt Weinwissenschaft. Lobner: „Wenn jemand einen Abend lang über einen einfachen G’mischten Satz philosophiert, ist das eine Beleidigung. Da höre ich lieber: Gestern wollten wir ein Glas davon trinken. Und es wurden drei Flaschen.“

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